Pjöngjang – Peking

Um 5:30 werden wir geweckt, Packen im Halbschlaf, das Frühstück lasse ich aus, dann gehts los zum Flughafen. Ich hatte gestern Abend noch einen kleinen Anfall von Paranoia und habe sämtliche Fotos in einen versteckten Ordner auf dem Netbook kopiert, da mir irgendjemand erzählt hat, bei der Ausreise würden stichprobenartig Fotos kontrolliert, war aber völlig unnötig. Wir freuen uns auf Peking, interessant, dass uns nach nur einer Woche in dem Land ausgerechnet China als eine Oase der Freiheit vorkommt. Die Ausreise geht zügig, Kim händigt uns unsere Pässe und mir mein GPS aus, wir verabschieden uns und weg ist er. Als wir in der Reihe stehen und aufs Einsteigen warten, fällt mein Blick auf den Boarding Pass der Frau vor mir und ich stelle fest, dass die Dame mit Nachnamen McAnale heisst. Mahlzeit. Den knapp zweistündigen Flug verschlafe ich fast komplett, den Koryo-Burger lehne ich auch diesmal ab und dann landen wir bei üblem Nebel/Smog in Peking.

Ulrich und Frieder fliegen erst übermorgen zurück, seit kurzem darf man sich ohne Visum 72 Stunden in China aufhalten, solange man den Raum Peking nicht verlässt. Die beiden haben für morgen bereits eine Tour zur Mauer gebucht, ich schliesse mich gerne an. Wir teilen uns ein Taxi, ich verabschiede mich bei ihrem Hotel, wir verabreden uns für morgen und dann fahre ich weiter in mein Hostel. Der Taxifahrer findet es nicht und schmeisst mich irgendwo raus, wie sich herausstellt, liegt das Spring Time Hostel direkt vor meiner Nase. Ich checke ein, das Zimmer gefällt mir, dusche und mache mich gleich auf zu einem Spaziergang.

Der führt mich zur Verbotenen Stadt, allerdings nur zur nördlichen Mauer, rein gehe ich heute nicht. Ich schaue mir dann noch den Jingshan-Park an und steige dort einen ziemlich steilen Weg hoch, von oben hätte ich einen tollen Blick über die Stadt, wenn nicht alles im Dunst verschwinden würde. Danach reicht es mir, ich besorge mir ein paar Biere, esse zu meiner Schande bei McDonalds zu Abend und fange im Hostel an, meine Nordkorea-Erlebnisse aufzuschreiben.

Nampo und der Rest

Bevor wir nach Nampo zum Westmeer-Schleusensystem fahren, besichtigen wir noch das Geburtshaus von Kim Il Sung, welches am Stadtrand von Pjöngjang liegt. Das ist ganz nett, aber nach dem Sonnenpalast kann uns nichts mehr wirklich beeindrucken. Es folgt ein Spaziergang durch einen Park, der voll mit Leuten beim Picknick und bei diversen sportlichen Betätigungen ist. Heute ist der Jahrestag der Parteigründung, ein offizieller Feiertag, an dem keiner arbeiten muss. Ausser den Arbeiterdrohnen der untersten Kaste natürlich, die wie jeden Tag die Strassen kehren, die Parks fegen usw.

Schliesslich fahren wir knapp zwei Stunden nach Südwesten nach Nampo. Dort hat man in den 80ern einen ca. 8 Kilometer langen Staudamm gebaut, der verhindert, dass bei Niedrigwasser Meerwasser den Fluss Taedong herauffliesst und so die Nutzung als Trink- und Brauchwasser verhindert. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung (1986) war der Damm der größte der Welt, entsprechend stolz ist man darauf (kleine Männer und so). Die Anlage ist einigermassen beeindruckend, lustig ist der Film über die Bauarbeiten, den wir uns anschauen müssen:

Ausnahmsweise in deutscher Sprache wird mit ergriffener Stimme über die grossartige Leistung der Werktätigen referiert, die im Schweisse ihres Angesichts geradezu unmenschliche Leistungen vollbrachten und den Damm noch vor dem geplanten Datum fertigstellen konnten. So stellt das Bauwerk ein in Beton verewigtes Signal für alle unterdrückten Völker der Welt dar, was menschliches Genie in Verbindung mit sozialistischen Idealen erschaffen kann. In diesem Stil geht es weiter, hört sich für uns an wie DDR-Sprech aus den 50ern.

Zum Abschluss des Tages und der Reise fahren wir dann zurück nach Pjöngjang zu einem öffentlichen Platz, auf dem ein in Nordkorea sehr beliebter Sport (?) zu sehen ist, nämlich der Massentanz. Dabei tanzen unzählige Paare synchron zu nordkoreanischer Popmusik. Hört sich lustig an, ist aber interessant und nett anzusehen. Da man sich in diesem Land sowieso gerne im Gleichschritt bewegt, wundert es uns nicht, dass diese Art der Freizeitbeschäftigung sehr beliebt ist. Um den Platz rennen jede Menge Touristen und filmen und fotografieren, einige werden zum Mittanzen eingeladen, natürlich auch alles inszeniert, spontan würde es ein Bürger niemals wagen, einen Ausländer anzusprechen.

Zwischendurch gibts noch Abendessen, zurück im Hotel übergeben wir Kim einen Umschlag mit Trinkgeld für ihn, den Aufpasser und den Fahrer. Er verabschiedet sich, wir sitzen noch wie üblich in der Bar und trinken, ich bin mal wieder der erste der schlafen geht. Ich verabschiede mich vorher noch von Wolfgang, der mit der Bahn zurückfährt und deswegen morgen ausschlafen kann, dann ab ins Bett.

Pjöngjang 3 – der Sonnenpalast

Mich gestern auszuklinken war eine gute Idee, denn heute geht es mir schon wesentlich besser. Bei seinem morgendlichen Weckruf erklärt mir Kim, dass wir heute früh als erste Aktion den Sonnenpalast besichtigen, also den Ort, an dem die Kadaver der beiden Führer aufgebahrt sind. Entsprechende Kleidung sei erwünscht. Ich muss lachen und erkläre Kim, dass ich keine passende Kleidung dabei habe, noch nichtmal besitze. Dann solle ich doch aber bitte keines der T-Shirts mit den schrecklichen Bildern drauf anziehen. Ok, mach ich. Und wenn ich meine Piercings rausnehmen könnte, weil die Metalldetektoren seien dort arg empfindlich. Ich muss wieder grinsen und erkläre ihm, das sei ohne Werkzeug leider nicht möglich. Wäre ja noch schöner.

Ich darf dann natürlich doch rein und was wir da zu sehen bekommen, übertrifft alles. Strengstes Fotoverbot natürlich, Worte können die Eindrücke leider nicht wirklich beschreiben.
Zuerst werden wir flughafenmässig gefilzt. Alles, wirklich alles was wir in den Taschen haben, müssen wir abgeben, sogar die Zimmerkarten vom Hotel. Wir müssen über eine Art Steg laufen, auf dem mit rotierenden Bürsten die Schuhe gesäubert werden, danach noch über ein Stück feuchten Teppich, wahrscheinlich zur Desinfektion. Für die Schuhe bekommen wir danach Überzieher.

Nun geht es über diverse Treppen in einen langen Korridor mit einem Laufband. Wir fahren in Zeitlupe, die Wände sind mit Portraits der Führer gesäumt. Es dauert bestimmt 10 Minuten, bis wir durch sind, Zeit zur Kontemplation. Mit uns sind Scharen von Nordkoreanern unterwegs, alle im Sonntagsoutfit, dazwischen ich, mit Wanderhosen, Turnschuhen und Fleece-Jacke. Ich hoffe, Kim bekommt deswegen keinen Ärger. Dann müssen wir noch durch eine Schleuse, in der wir von allen Seiten mit Luft bepustet werden, damit ja kein Stäubchen mehr an uns ist.

Schliesslich kommen wir ins Allerheiligste, ein Raum im Zwielicht, vier Säulen mit Ehrenwache und in der Mitte der gläserne Sarg mit dem geliebten Führer drin. Im Gänsemarsch geht es einmal herum, von vorne und von beiden Seiten müssen wir uns verbeugen, dann geht es wieder raus. Alle Nordkoreaner sind ergriffen, die Männer wischen sich verstohlen die Tränen aus den Augenwinkeln, die Frauen schluchzen. Ulrich bemerkt trocken, zum Glück hat der Adolf den Krieg verloren, sonst hätten wir jetzt auch sowas. Und damit hat er Recht, die Führerverehrung, die Monumentalbauten in der Stadt und die permanente Gegenwart des Militär, das alles hat etwas ekelhaft faschistisches. Ich denke im Deutschland der späten 30er herrschte eine ähnliche Atmosphäre. Gruselig.

Wir kommen dann durch einen Raum, in dem alle möglichen Orden ausgestellt sind, die der Oberguru verliehen bekam, danach in eine große Halle, in dem der Zug ausgestellt ist, in dem er sich fortzubewegen pflegte. Dazu eine riesige Weltkarte an der Wand, auf der mit blinkenden LEDs die Auslandsreisen markiert sind, die er unternommen hat. Es geht aber noch größer: in der nächsten Halle steht ein Flugzeug, ein Geschenk von Stalin aus den 50ern. Lustigerweise litt der Führer unter Flugangst, so dass er die Maschine nur ein einziges Mal benutzt hat, nämlich als er Stalin besucht hat. Der wäre sicher sauer gewesen, hätte man dazu nicht sein Geschenk benutzt.

Die gleiche Prozedur mit den gleichen Räumen wiederholt sich dann mit dem Sprössling, interessantes Detail: in dessen Zug steht auf seinem Schreibtisch ein MacBook. Die Technik des Klassenfeindes war offensichtlich willkommen.

Wir kommen dann ziemlich sprachlos wieder raus. Wir suchen nach Vergleichen, das einzige was uns einfällt sind die Pharaonen, die sich schon zu Lebzeiten riesige Denkmäler erschaffen haben. Nirgendwo sonst wird der Gegensatz zwischen Führerkult und Wirklichkeit so deutlich. Die komplette Anlage ist, mehr noch als die Hallen der Freundschaftsausstellung, mit gigantischem Aufwand aus edelsten Materialien geschaffen. Dazu gehört ein großer Park mit Springbrunnen und allem, der mich an Versailles erinnert. Ein unbeschreiblicher Prunk, der, um bei dem Vergleich zu bleiben, des Sonnenkönigs würdig wäre.

Der Sonnenpalast ist für die Nordkoreaner wohl sowas wie Mekka, einmal im Leben muss man da hinpilgern. Wir fragen uns, was in den Leuten beim Anblick dieses Luxus vorgeht, wenn sie das Bild mit ihrem täglichen armseligen Leben vergleichen. Wir vermuten, dass die Menschen hier ihre persönliche schlechte Lage überhaupt nicht mit den geliebten Führern in Zusammenhang bringen, so wie auch in Deutschland die Leute, als sie nach Kriegsende durch die KZ geführt wurden, noch behauptet haben: ‚davon hat der Führer nichts gewusst.‘

Wieder einmal sind wir äusserst beeindruckt, aber nicht in der Art, wie sich unsere Gastgeber das wünschen. Fotos gibts aus den genannten Gründen keine.

Pjöngjang 2

Heute geht es mir gar nicht gut, zum Glück stehen keine längeren Fahrten an, wir besichtigen lediglich diverse Monumente in Pjöngjang. Beim Frühstück beschränke ich mich auf trockenen Reis und Tee, besonders hilft das aber nicht.

Zuerst besichtigen wir den sog. Juche-Turm, das ist das hohe Ding (170 Meter) mit der Fackel obendrauf, die im Dunkeln immer beleuchtet ist, egal ob sonstwo Strom zur Verfügung steht oder nicht. Angeblich soll der Turm nach dem Washington Monument modelliert sein und ist ein klein wenig größer als dieses. Da haben wir wieder das kleine-Männer-Syndrom. Man kann auf den Turm hochfahren, aber aus irgendwelchen Gründen ist heute geschlossen. Daneben gibt es noch eine 30 Meter hohe Statue mit drei Gestalten, die die Staatssymbole Hammer, Sichel und Pinsel (die Arbeiter, Bauern und Intellektuelle repräsentieren) in die Höhe halten.

Juche, oder auch Chuch´e ist die von Kim Il Sung verfasste Ideologie, es handelt sich um eine Weiterführung oder Interpretation des Marxismus-Leninismus und zielt hauptsächlich auf die wirtschaftliche, politische und militärische Autarkie des Landes ab. Sein Sohn hat dann später noch das Prinzip des ‚Songun‚ hinzugefügt, welches besagt, dass in allen Lebensbereichen und politischen Aspekten grundsätzlich das Militär bevorzugt wird. Mehr will ich dazu nicht schreiben, wen es interessiert kann ja nachlesen. Wie erfolgreich das Konzept ist, sehen wir hier täglich.

Der nächste Programmpunkt ist das Parteigründungsmonument, hier begegnen uns Hammer, Sichel und Pinsel wieder, natürlich auch in Riesengröße. Eine Führerin erklärt wieder eine Menge zu dem Monument, ich höre nicht zu, da ich zum einen das Geschwafel nicht mehr hören kann und mir ausserdem mein Magen Probleme bereitet. Da wir danach noch etwas Zeit über haben, werden wir in eine Art Ausstellung geführt, was das dort genau soll, bekomme ich nicht wirklich mit. Wir sitzen eine halbe Stunde rum und dann brechen wir auf zum Heldenfriedhof.
Das ist ein tatsächlicher Friedhof, auf dem im Krieg gegen die japanische Besatzung gefallene Offiziere liegen, unter anderem auch Kim Il Sungs Frau. Die Anlage ist sehr eindrucksvoll, jedes Grab besitzt eine Bronzebüste mit individuellen Zügen des oder der Gefallenen, ganz oben befindet sich eine riesige rote Fahne aus Granit.

Weiter gehts mit dem Parteigründungsmuseum, wo man mal wieder nicht fotografieren darf. Das macht diesmal aber nichts, denn viel zu sehen gibt es nicht. Wir werden durch diverse Räume geführt und müssen uns Lobreden auf den geliebten Führer anhören. Mir reicht es jetzt und nachdem wir wieder raus sind, bitte ich Kim, mich doch vor dem nächsten Programmpunkt am Hotel abzusetzen, da es mir ziemlich mies geht. Das machen wir dann auch, allerdings traut man mir nicht ganz und so bleibt der namenlose Aufpasser mit mir im Hotel. Soll mir recht sein, solange er mich in Ruhe lässt. Ich verabschiede mich von dem Rest, besorge mir noch Tee und Kekse und lege mich ins Bett.

Am nächsten Tag erzählen mir die Anderen, dass sie noch eine Bibliothek besichtigt haben und danach zum Essen sind, ich habe also nichts verpasst. Der Aufpasser meint, er habe mehrmals versucht, mich anzurufen, selbstverständlich nur um zu fragen, wie es mir geht. Ich habe aber nichts mitbekommen, weil ich geschlafen habe wie ein Stein.

Zurück nach Pjöngjang

Wir sind übelst beeindruckt von der Freundschaftsausstellung, allerdings anders, als unsere Führer sich das vorstellen. Auf dem Weg zurück in die Hauptstadt machen wir Halt bei einem buddhistischen Kloster. Schon wieder. Und tatsächlich ist alles wie beim letzen Mal, nur dass der Mönch diesmal blaue Schuhe trägt. Das kann doch nicht deren Ernst sein?!? Ulrich reicht es offensichtlich, denn er bringt den Mönch mit fundiertem Wissen und entsprechenden Fragen zum Buddhismus gehörig in Verlegenheit. Spenden will keiner was und so sind wir schnell wieder weg.

In Pjöngjang werden wir dann zuerst zum Freundschaftsmonument (so hiess das glaube ich) gefahren, das ist ein Denkmal, in dessen Inneren die Namen von nordkoreanischen und chinesischen Soldaten verewigt sind, die gegen die japanische Besatzung gekämpft hatten, unter anderem soll in diesem Konflikt Maos Sohn gefallen sein. Danach gehts zum Triumphbogen, der, wie Kim betont, größer als sein Pendant in Paris ist. Was ist das nur mit kleinen Männern, dass sie ständig allen zeigen müssen, dass sie den Größten haben? Napoleon, Hitler, Stalin, Kim Il Sung, Putin, etc. Alles kleine Wichte mit offensichtlich riesigen Komplexen. Ich verstehs nicht.

Nach einem sehr kurzen Besuch des Kim-Il-Sung-Platzes geht es weiter zum Zirkus. Ich hätte darauf gerne verzichtet, geht aber nicht, da Kim angeblich schon Tickets für uns alle besorgt hat. Schliesslich wird der Abend aber doch nicht so schlecht, es handelt sich hier um eine reine Artisten-Vorführung, ähnlich dem chinesischen Staatszirkus. Tiere werden hier also nicht gequält, ich möchte aber nicht wissen, wie das Training und der Druck auf die Artisten aussieht. Was wir geboten bekommen ist Weltklasse, tatsächlich hat das Ensemble wohl schon jede Menge internationaler Preise gewonnen. Bei einem krassen Hochseilakt patzt eine der Artistinnen und fällt zweimal ins Sicherheitsnetz, ich hoffe sehr, sie wird dafür nicht bestraft. In einem freien Land würde ich eine solche Vorstellung geniessen, denn was wir zu sehen bekommen ist wirklich unglaublich, hier bleibt ein mieser Beigeschmack.

Danach geht es ohne Pause zum Abendessen in ein Restaurant, wo wir Livemusik geboten bekommen, die für meinen Geschmack viel zu laut ist. Die einheimischen Gäste scheinen aber ihren Spass zu haben, singen mit und tanzen fröhlich zwischen den Tischen. Zurück im Hotel gibts wieder ein paar gute-Nacht-Biere und diverse Wodkas. Das in Kombination mit dem Essen zerstört meinen angegriffenen Magen komplett.

Internationale Freundschaftsausstellung

Heute geht es um 8:00h los, ich bin froh, dass ich gestern beizeiten ins Bett gegangen bin, der Rest hat nämlich ordentlich Wodka getrunken und sieht etwas angeschlagen aus. Wir fahren nach Norden ins Myohyang-Gebirge zur Internationalen Freundschaftsausstellung. Das ist eine kuriose Sammlung von Geschenken, die die beiden verstorbenen Kims von ausländischen Staatsmännern und auch wirtschaftlichen Größen erhalten haben. Die Sammlung ist legendär, dementsprechend freuen wir uns darauf.

Die etwa zweistündige Fahrt zeigt uns einmal mehr, wie unglaublich schön das Land ist, die Berge sind mit Pinien und Kiefern bewaldet, man könnte dort großartige Wanderungen machen. Wir fragen, welche Tiere dort vorkommen und Kim meint hauptsächlich Eichhörnchen und einige Kaninchen. Wir wissen, dass die Berge früher Heimat einer reichhaltigen Tierwelt waren, die Bevölkerung aber während der großen Hungersnot in den 90ern alles was größer als ein Eichhörnchen war weggefangen und verspeist hat.

Auf die Inhalte der Ausstellung sind wir vorbereitet, nicht aber auf deren Präsentation: Eine gigantische Anlage aus unzähligen Hallen wurde buchstäblich in den Berg hineingebohrt. Vater und Sohn haben je eine eigene Abteilung, in die man durch riesige, ca. 30cm dicke Stahltüren eintritt. Davor gibt es eine Ehrenwache, drinnen ist alles hell erleuchtet, die Böden und Wände aus feinstem Marmor, alles glänzt und blinkt und erschlägt uns mit Prunk. Es gibt Wachsstatuen der beiden Führer und der Frau von Kim Il Sung, die jeweils in einer eigenen Halle ausgestellt sind und extrem lebensecht wirken. Eine Verbeugung davor ist obligatorisch.

Eine Führerin zeigt uns dann einen Teil der Ausstellung, alles könnte man unmöglich an einem Tag sehen. Die Objekte sind nach Nationalität der Schenkenden aufgeteilt, uns werden hauptsächlich die europäischen und einige afrikanische Abteilungen gezeigt. Unnötig zu erwähnen, dass strengstes Fotografierverbot herrscht. Zu sehen sind jede Menge Geschmacklosigkeiten, alles was jemals Teil irgendeines Artenschutzabkommens war, ist vor Ort. Wir sehen Tonnen von Elfenbein, Nashorn-Hörner, ausgestopfte Tiere jeglicher Art, bedroht oder nicht, Schlangenleder-Koffer, Bären, eine vergoldete AK47 (von Gaddafi), jede Menge Gewehre und Pistolen (von Putin) und noch unzählige andere absurde Dinge, von denen ich das Meiste schon wieder vergessen habe. Achja, ein Basketball und ein Trikot von Denis Rodman, der ja angeblich ein Kumpel von Kim Jong Un ist.

In den Fluren hängen Fotos der beiden Kims mit allen möglichen ausländischen Staatsmännern. Ulrich fragt mich in einem unbeobachteten Moment, ob mir aufgefallen sei, dass so gut wie alle dieser Leute auf den Fotos schon vor Jahrzehnten gestürzt, gelyncht, oder sonstwie abgeschafft wurden. Und tatsächlich handelt es sich fast ausnahmslos um Gestalten wie Ceausescu, Tito, Honecker, Präsidenten irgendwelcher Bananenrepubliken, etc. Die Liste der Freunde ist ziemlich kurz geworden.

Wonsan – Pjöngjang

Nach dem Ferienlager fahren wir wieder zurück Richtung Pjöngjang. Wir kommen übrigens jedesmal wenn wir aus der Hauptstadt raus oder wieder rein fahren an mehreren Kontrollpunkten vorbei. Unser Fahrer hat einen mysteriösen blauen Zettel dabei, den zeigt er vor und wir dürfen passieren. Unterwegs machen wir Halt, um einen Wasserfall zu besichtigen, der angeblich erst im Jahre 2001 entdeckt wurde. Wir müssen dazu noch etwa einen Kilometer zu Fuß gehen, es ist wirklich extrem schön in dieser Gegend. Der Wasserfall ist auch schön, unterwegs kommen wir an mehreren Gebäuden vorbei, eines soll ein Teehaus sein, das andere sieht ein wenig wie ein Hotel oder Restaurant aus, alle komplett leer.

Während der Fahrt fragt irgendjemand Kim nach der Wohnungssituation in Pjöngjang und wir erfahren, dass die durchschnittliche Wohnungsgröße 100m² beträgt, die Wohnungen die jetzt gebaut werden sind 250m² groß. Ja genau.
Wieder in der Hauptstadt angekommen, dürfen wir U-Bahn fahren, genau eine Station weit. Das ist trotzdem interessant, die beiden Stationen die wir sehen sind sehr aufwändig dekoriert und schön anzusehen. Genau wie in Moskau liegen die Stationen hier extrem tief, um die 100 Meter laut Kim. Man hat das natürlich, auch wie in Moskau, nicht zum Spass so gebaut, sondern um die Stationen im Ernstfall als (Atom-)Schutzbunker für die Bevölkerung zu nutzen. Die Bahnen sind alte in den 90ern ausgemusterte Modelle aus Berlin, das ist bekannt. Die Werbetafeln wurden entfernt, die Bilder der Führer angebracht, aber der Berliner Netzplan in unserem Waggon wurde lediglich überpinselt und die Scratchings an den Scheiben sind auch noch erhalten.

An der Zielstation wartet schon unser Fahrer auf uns, um uns in eine zwielichtige Gegend in ein Restaurant zu karren. Dort gibt es ein Gericht, welches uns in den kommenden Tagen noch öfter in abgewandelter Form begegnen wird, ein koreanischer Eintopf. Dazu bekommt jeder von uns einen kleinen Brenner mit einem Topf Brühe vorgesetzt, auf einem Teller liegen die übrigen Zutaten, Fleisch, Tofu, Kohl, Glasnudeln, diverses Gemüse und Grünzeug und ein Ei. Wir dürfen aber nicht selbst ran, die Bedienung füllt reihum, in mehreren Durchgängen nacheinander die Zutaten in den Topf, zum Schluss das Ei und nach einigen Minuten dürfen wir essen. Dazu gibt es natürlich unzählige Beilagen, Kimchi, fritierte Kartoffelstäbchen, Teigtaschen, Krautsalat, usw.

Das schmeckt alles sehr gut, danach gehts zurück ins Hotel, wo wir die gleichen Zimmer wie zu Anfang bekommen. Die üblichen Biere an der Hotelbar folgen, ich verabschiede mich vorzeitig, weil mein Magen meckert.

Das seltsame Feriendorf

Wir fahren zu dem internationalen Ferienlager in Songdowon, das ist eine Einrichtung, in der angeblich Kinder aus dem In- und Ausland gemeinsam ihre Ferien verbringen können. Die Anlage ist riesengroß und wurde erst kürzlich renoviert. Es gibt Schlaf- und Essräume, eine Sporthalle mit Kletterwand, eine Schwimmhalle, einen riesigen Sportplatz, ein Freibad, mehrere Wasserrutschen und vieles mehr. Alles ist nagelneu, extrem schön und sieht total unbenutzt aus. Wir sehen zwar mehrere Gruppen Kinder verschiedener Altersklassen z.B. mit Booten auf dem Wassser rudern, Fussball spielen, oder auch in Reih und Glied marschieren, immer ein Lied an den geliebten Marschall Kim Jong Un auf den Lippen, auf dessen Initiative die Anlage renoviert wurde. Trotzdem sehen alle Anlagen und Räumlichkeiten, die wir gezeigt bekommen, geradezu steril aus. Keinerlei Gebrauchsspuren, Finger- oder Fußspuren, irgendwas was auf die Anwesenheit von Kindern hindeuten würde. Im Computerraum fehlen die Computer und die Monitore, die würden noch geliefert, heisst es. Sehr dubios das alles.

Bei all den sportlichen Aktivitäten müssen sich die Kinder ja auch mal entspannen, erklärt uns die Führerin und führt uns in einen Raum, aus dem seltsame Geräusche tönen. Ich muss mir dann tatsächlich wie im Film die Augen reiben, ob ich richtig sehe: der Raum ist vollgestellt mit Videospielautomaten und zum größten Teil handelt es sich dabei um fiese Ballerspiele. Kurz darauf stehen Frieder und die Führerin mit zwei Plastikmaschinenpistolen vor einem der Automaten und ballern Soldaten ab. Mit Blutspritzern und allem. Kim und der Aufpassser versuchen sich an einem anderen Automaten. Ich weiss nicht, ob sie nicht raffen, was sie da gerade spielen, oder ob es ihnen egal ist, jedenfalls ist man in dem Spiel ein Agent in der Air Force One (!) und muss den amerikanischen Präsidenten (!!) vor Terroristen beschützen (!!!). Die beiden legen die bösen Terroristen reihenweise um. Das ist die absurdeste Szene, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe. ich schaue mich um und auch Ulrich steht mit offenem Mund da.

Das kann nicht mehr getoppt werden, wir sehen dann noch einen kleinen Zoo der zu der Anlage gehört, ein armer Papagei wird zum Sprechen genötigt, wir werden durch ein Spiegellabyrinth gejagt und dürfen eine krass steile Wasserrutsche bewundern, auf die sich angeblich noch kein einziges ausländisches Kind getraut hat. Die einheimischen Kinder machen das natürlich im Schlaf.

Das Ferienlager hinterlässt uns ziemlich ratlos. Es ist unmöglich, dass eine solche große und mit Sicherheit sauteure Anlage nur zu Propagandazwecken gebaut wurde, trotzdem sieht alles komplett unbenutzt aus, ausserdem fragen wir uns, wer um alles in der Welt seine Kinder nach Nordkorea ins Ferienlager schickt. Angeblich hat man Gäste unter anderem aus Russland, Polen und diversen afrikanischen Staaten, wir haben allerdings ausschliesslich asiatische Kinder gesehen. Dazu kommt noch, dass zwischendurch immer mal wieder, für unsere Auffassung völlig willkürlich, Fotoverbot ausgesprochen wird. Eine 10 auf der Merkwürdigkeits-Skala.

Wonsan 3

Als ich heute früh aufstehe, bemerke ich drei Dinge: 1. Ich habe einen dezenten Kater. 2. Ich habe mich erkältet. Sind vielleicht noch Jetlag-Nachwirkungen kombiniert mit Klimaanlagenluft, jedenfalls bin ich total verrotzt. 3. Auch wenn meinem Gaumen das koreanische Essen gefällt, ist mein Verdauungssystem nicht damit einverstanden. Großartig.

Ich komme zu spät zum Fühstück, welches aus einem kalten Rührei und vier Scheiben getoastetem Weissbrot besteht. Dazu gibt es etwas was wie Ketchup aussieht, sich aber als Marmelade entpuppt und etwas was wie ranzige Butter aussieht, sich aber als Kunsthonig entpuppt. Ich bin schnell fertig.

Beim Auschecken treffen wir Neil von gestern wieder, dem keiner was vom warmen Wasser am Morgen erzählt hat und der deshalb gestern Nacht noch kalt geduscht hat. Draussen lernen wir einen weiteren Amerikaner kennen, der im Auftrag einer christlichen Hilfsorganisation unterwegs ist, die im Norden des Landes für sauberes Wasser sorgt, indem sie Brunnen bohren. Er erzählt uns, die Infrastruktur dort sei schlichtweg nicht vorhanden und die Arbeit generell sehr schwierig. Ich finde es erstaunlich, dass einer amerikanischen und dazu noch christlichen Organisation erlaubt ist, im Land tätig zu sein, aber einem geschenkten Gaul schauen wohl auch die Kims, oder wer auch immer in diesem Land das Sagen hat, nicht ins Maul.

Unser erster Stop heute ist eine sogenannte Revolutionäre Gedenkstätte, derer gibt es unzählige im Land. Unsere ist ein ehemaliger Bahnhof, von dem aus, wie sollte es auch anders sein, der große Führer mal abgefahren ist. Dazu gibt es noch ein ehemaliges Hotel, in dem seine Heiligkeit mal mit seiner revolutionären Garde abgestiegen ist. Das Hotel dürfen wir besichtigen, natürlich ohne Schuhe, die Zimmer, die Kim Il Sung bewohnt hat, dürfen nur durch die Türen bewundert werden. Im Bahnhofsgebäude hängt noch der originale Fahrplan von dem Tag, an dem er abgereist ist, in einer weiteren Halle steht ein Waggon, den er benutzt hat, der entsprechende Sitz ist mit einem Seidenüberwurf abgedeckt. Was uns die Führerin sonst noch über diese heilige Stätte erzählt habe ich vergessen.

Das nächste Highlight folgt, ein weiteres Kapitel im Kabinett der Absurditäten.

Wonsan 2

Und weiter geht es im Takt, es steht der Besuch einer Universität für Agrarwissenschaften an. Die scheint zur Abwechslung echt zu sein, laufen doch diverse Studenten in der Gegend rum. Der Campus ist ein Traum, die verschiedenen Gebäude und Gewächshäuser liegen in einem Wald versteckt, dazwischen schöne Parkanlagen, eine tolle Atmosphäre, so hätte ich auch gerne studiert. Allerdings nicht in Nordkorea. Wir erfahren, dass es Brauch für jeden Absolventen ist, auf dem Campus 10 Bäume zu pflanzen, keine schlechte Idee.
Vor einem Gewächshaus, in dem Tomaten und Gurken gezogen werden, ist ein rotes Dreieck in den Asphalt eingelassen, das markiert die Stelle, an der der große Führer bei seinem Besuch stand. X marks the spot.

Wir fahren zurück zum Hotel und da schönes Wetter ist und wir noch Zeit haben, machen wir einen Spaziergang zu einer winzigen Insel, die durch einen langen Steg mit dem Ufer verbunden ist. Dort wird geangelt, mit abenteuerlichen Anzügen nach Muscheln getaucht und die Ausbeute auch gleich verkauft. Wir marschieren also zur Insel, setzen und uns reden über alles Mögliche. Irgendwann taucht Kim mit einer Tüte Bier auf, wir schauen uns den Sonnenuntergang an und es wird richtig nett. Als es dunkel wird, gehen wir zurück zum Essen, ins gleiche Restaurant wie heute mittag. Später setzen wir uns in die Lobby im Hotel und wollen noch einen Absacker nehmen, es werden dann einige mehr, jemand kauft Schnaps, wir laden einen einsamen Amerikaner namens Neil zu uns an den Tisch ein und es wird spät.

Bevor wir ins Bett fallen, erklärt uns das Personal noch, dass warmes Wasser nur in der Zeit von 6:30h bis 7:30h zur Verfügung steht.