Die Potemkinsche Farm

Wir besuchen also eine landwirtschaftliche Kooperative, es haben sich, so erfahren wir später von der Leiterin, drei Ortschaften mit insgesamt 600 Bauern nach Art einer sowjetischen Sowchose zusammengeschlossen, ganz sicher freiwillig.
Als wir auf den Hof fahren, sehen wir lediglich eine einsame Arbeiterin Getreide, was wohl vom nächtlichen Regen nass geworden ist, am Boden ausbreiten und wenden. Angeblich ist gerade Mittagspause, deswegen müssen wir noch ein paar Minuten auf die Leiterin der Anlage warten. Wir sehen uns um. Das alles sieht sehr sauber aus, der Hof ist von Kaki-Bäumen umgeben, es gibt ein riesiges Mosaik vom großen Führer, verschiedene Gebäude und sogar einen Laden, in dem alle möglichen Waren ausgestellt sind, mit denen sich die Bauern versorgen können. Dumm nur, dass die Tür zum Laden keine Klinke besitzt, wie Ulrich feststellt. Es ist allen klar, dass uns hier wieder Theater vorgespielt wird.

Die Leiterin der Kooperative erscheint und führt uns rum. Zuerst erfahren wir natürlich wieder, wann und zu welchen Anlässen die geliebten Führer den Ort besucht haben, das ist mittlerweile Routine. In diesem speziellen Fall lernen wir aber, dass Kim Il Sung persönlich die Idee hatte, hier Kakibäume anzupflanzen, die dann natürlich sofort in die Tat umgesetzt wurde. Wir hören auch eine Anekdote dazu: Als der Chef mal wieder zu Besuch ist, sehen sie einen Kakibaum, der besonders viele Früchte trägt. Auf seine Frage, wie hoch man denn die Anzahl schätze, bekommt er zur Antwort etwa 500. Nein, sagt darauf der geliebte Führer, das seien mindestens 800. Man zählt nach und es sind tatsächlich genau 803 Früchte. Donnerwetter.

Solche Geschichten gibt es zuhauf und wir fragen uns, wie man ein komplettes Volk dazu bringt, so einen Blödsinn zu glauben. Allerdings wird ein echter Christ wohl auch nicht daran zweifeln, dass Jesus übers Wasser marschiert ist und Tote erweckt hat. Wie auch immer, die ganze Farm ist ein einziger Witz, wir sehen weder landwirtschaftliches Gerät, noch Ställe oder irgendwelches Vieh. Dafür aber ein Gebäude, in dem sich angeblich eine Sauna und ein Schwimmbad für die Bauern befinden (im Obergeschoss!), die wir aber nicht besichtigen dürfen.

Da wir als nächstes einen Kindergarten besuchen, werden wir genötigt, Süssigkeiten für die Kinder zu kaufen. Die spielen grad ein Spiel, bei dem immer zwei um die Wette laufen und als wir erscheinen, kommen wie auf Kommando zwei der Kleinen gerannt und schnappen sich zwei von uns an den Händen zum Mitlaufen. Das ist selbstverständlich komplett einstudiert und ist so ziemlich das Traurigste, was wir während der Reise zu sehen bekommen. Wie man Kinder schon im frühesten Alter für ein System einnimmt und programmiert haben die Nazis ja vorgemacht, hier funktioniert das auch. Artig treten die Kleinen dann in Zweierreihen an und marschieren, ein Lied auf den Lippen, los. Ich möchte kotzen.

Der letzte Akt der Farce ist dann der Besuch des Wohnhauses der Leiterin. Das ist natürlich schön, sauber und groß. Sie führt uns rum, zeigt uns ihren privaten Garten, ihr Sohn muss antreten und meine Frage, ob denn alle Leute auf dem Land so wohnen, wird selbstverständlich bejaht. Wiederum fragen wir uns: für wie blöd halten die uns denn?

Wonsan

Heute steht eine längere Fahrt an, nach Wonsan an der Ostküste geht es. Wir müssen komplett ausschecken, denn wir werden dort übernachten und angeblich braucht man unsere Zimmer. Was Blödsinn ist, so voll ist das Hotel nicht, aber egal. Das Frühstücksbuffet fällt heute ein ganzes Stück magerer aus, ist aber auch egal.

Wir starten also mit vollem Gepäck und erfahren, dass die Fahrt 4 bis 5 Stunden dauern wird. Das wird dann auch genauso unbequem wie es sich anhört, die Strassen nach Osten sind in noch schlechterem Zustand, als alles was wir bisher befahren haben. Trotzdem macht es Spass weil es jede menge zu sehen gibt, auf der Strasse (Ochsenkarren, Fahrräder und Fussgänger auf der Autobahn, bewachte Tunnels mit Schießscharten an Ein- und Ausfahrt) und neben der Strasse (extrem schöne Landschaft, immer wieder Massen von Menschen bei der Ernte). Auf der Hälfte der Strecke machen wir an einem Stausee Pause, irgendwann kommen wir dann ans Meer und in unseren Zielort, Wonsan.

Die Städte, die wir bisher gesehen haben, unterscheiden sich nicht voneinander: viele große Mietshäuser, wenig Verkehr, keinerlei Industrie. Alles ist zwar auf den ersten Blick sauber und gepflegt, bei genauerem Hinsehen merkt man aber, dass alles und zwar wirklich alles uralt, verrostet und verkommen ist. Ausser natürlich die Statuen der Führer.

Wir checken in einem Hotel ein und jeder bekommt ein Zimmer mit Meerblick, sehr schön. Sofort geht es dann weiter zum Essen in ein Restaurant, welches geschätzt 400 Meter vom Hotel entfernt ist, trotzdem werden wir gefahren. Dort tischt man uns natürlich ein Fischmenü auf, schliesslich sind wir am Meer. Hauptattraktion sind zwei rohe Fische, die im ganzen auf Tabletts liegen und am Rücken aufgeschnitten und in kleine Happen geteilt sind. Diese tunkt man in eine scharfe Sauce, was mir allerdings nicht besonders schmeckt. Dafür ist der übrige gebratene Fisch und alles andere wieder ziemlich lecker. Als der rohe Fisch verspeist ist, holt die Bedienung die Reste ab und kocht eine scharfe Suppe daraus, die dann als letzter Gang aufgetragen wird. Die schmeckt sehr gut, nur Ulrich ist nicht so begeistert, denn in seiner Portion schwimmt einer der Fischköpfe.

Nach dem Essen fahren wir zu einer Landwirtschaftskooperative, die sich wie das Kloster einen eigenen Beitrag verdient hat.

Der Potemkinsche Mönch

Wir fahren abschliessend zu einem buddhistischen Kloster. Offiziell herrscht in Nordkorea ja Religionsfreiheit; de facto stellt die Verehrung der Kims eine Staatsreligion dar, die keine anderen Götter neben sich duldet. Will heissen, sämtliche Religionen werden unterdrückt, die Gläubigen verfolgt, ermordet, in Lager gesperrt usw. Das ganze Programm halt.

Gegen dieses Image muss die Staatsführung was unternehmen und so gibt es im Land ein paar Musterbeispiele, wie frei Religion ausgeübt werden darf. Eines davon ist besagtes Kloster, über das ich vor nicht allzu langer Zeit mal einen Bericht gesehen habe.
Wir müssen erst mal ein ganze Weile vor der völlig verlassenen Anlage warten, offensichtlich hat man nicht mit unserer Ankunft gerechnet. Schliesslich kommt der ‘Mönch’ und das erste was mir auffällt ist, dass der Herr Mönch unter seiner Mönchskutte ein paar schicke quietschgelbe Lederschuhe trägt.

Er referiert ein wenig über die Geschichte des Klosters, führt uns rum, erzählt auf Nachfragen, dass es in Nordkorea 10.000 praktizierende Buddhisten gäbe (das glaube ich ihm sogar, nämlich in den Lagern) und will dann eine Spende. Ich denke nicht daran. Er fragt uns, ob wir Interesse an einer buddhistischen Zeremonie haben und leider sagt Frieder ja, so müssen wir da durch. Er hämmert auf einer Holzglocke und singt ein paar Mantras, das wars dann. Wir haben übrigens während des kompletten Aufenthalts dort keine andere Person gesehen, etwa andere Mönche oder Novizen. Wenn der ein echter buddhistischer Mönch ist, bin ich mindestens ein Bischof.

Am Abend gibts dann Essen im drehenden Restaurant auf dem Dach des Hotels, was allerdings etwas schiefgeht, da die Bedienungen es komplett versemmeln, uns allen gleichzeitig das Essen zu bringen. Danach verabschieden sich Kim, Fahrer und Aufpasser und wir vier treffen uns zum Umtrunk in der Bar im Erdgeschoss. Was übrigens bis zum letzen Tag gnadenlos durchgezogen wird. Dass ich grundsätzlich der erste bin der abkackt hatte ich glaube ich schon erwähnt. Respekt vor dem Alter!
Wir lassen uns über die Aktion mit dem Kloster aus, stellen fest dass wir alle gleichzeitig die Schuhe des Mönches bemerkt haben und fragen uns, wie die Veranstalter auch nur im Traum dran glauben können, dass wir uns so verarschen lassen.

Wir trinken einige Runden und ich stelle fest, dass ich mir keine besseren Reisebegleiter hätte wünschen können. Vor allem Ulrich, emeritierter Professor für Verwaltungsrecht, ist ein wandelndes Lexikon. Er hat wie ich großes Interesse an der Geschichte des letzten Jahrhunderts, ist aber (im Gegensatz zu mir) hochgebildet und haut am Stück Fakten raus, die Kim und diverse Führer manches Mal in Verlegenheit bringen. Aber auch Frieder und Wolfgang sind nicht ohne, so dass wir trotz des Altersunterschiedes eine lustige Truppe sind.

Anm.: von dem Kloster habe ich leider keine Fotos, weil vorher der Akku meiner Kamera schlappgemacht hat. War aber auch nicht so interessant, nur den ‚Mönch‘ hätte ich gerne fotografiert.

Keasong

Bevor es zum Essen geht, besuchen wir noch das Koryo-Museum, welches zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Es handelt sich um eine Art Freilichtmuseum, welches die Geschichte des Koryo-Reiches nachzeichen soll. Die Geschichte Koreas ist sehr kompliziert und uralt und wimmelt nur so von Namen und Dynastien, so dass ich schnell den Überblick verloren habe. Ich werde zuhause nochmal nachlesen und die Infos hier korrigieren und ergänzen. Das Museum ist für uns aber nicht wirklich interessant, weil es ehrlich gesagt nicht so viel zu sehen gibt und darüberhinaus alles nur koreanisch beschriftet ist.

Das Essen wird uns dann in einem Restaurant in der Stadt Kaesong serviert. Es besteht aus einer Schüssel Suppe, Reis und dazu hat jeder von uns 12 kleine Messingschüsseln vor sich stehen, die alle etwas anderes enthalten. Es gibt Kimchi, Pilze, Algen, ziemlich fettiges (Schweine?)Fleisch, Sprossen, süße Bohnenkuchen und einiges andere was wir nicht identifizieren können. Es schmeckt alles ziemlich gut, nur das fette Fleisch und irgendwelche glibberigen Pilze rühre ich nicht an.

Kaum haben wir fertiggekaut, treibt uns Kim zum Aufbruch an, es stehen noch drei Aktionen auf dem Plan und der Plan muss erfüllt werden, das hier ist schliesslich Sozialismus und kein Kindergeburtstag. Das wird sich die kommende Zeit fortsetzen: Die Tage sind mit Programmpunkten vollgepackt, dazwischen werden wir mittags und abends mit üppigen Mahlzeiten gefüttert, so dass am Abend ja keiner auf die Idee kommen könnte, noch was unternehmen zu wollen. Was ausserhalb des Hotels sowieso nicht möglich ist.

Nächster Stop an diesem Nachmittag ist das Kaisergrab des Begründers der Wang-Dynastie, der sich selbst in aller Bescheidenheit den Namen Wang (bedeutet ‘Kaiser’) gab und im Laufe seines Lebens mit 19 Frauen 34 Kinder hatte. Mehr habe ich mir leider nicht gemerkt. Die Anlage mit dem Grabhügel ist schön gepflegt und ziemlich eindrucksvoll. Zumindest solange bis Kim erklärt, dass das Grab im Original viel kleiner war und während der japanischen Herrschaft komplett geplündert und zerstört wurde. Irgendwann kam der große Führer vorbei und hat bestimmt, dass das Grab restauriert und bei dieser Gelegenheit auch ein wenig aufgehübscht wird. Die Überreste des Kaisers haben die Japaner übrigens auch mitgenommen und niemand weiss wo sie geblieben sind. So bleibt eine hübsche Anlage ohne jeden historischen Wert.

Es zeigt sich hier übrigens ein Muster, welches sich bei sämtlichen besichtigten Orten wiederholen wird: Nachdem wir erfahren, was wir uns gerade anschauen, kommt sofort die Information, wann und wie oft die beiden Führer das jeweilige Objekt besucht haben. Meist gibt es dann auch Gedenktafeln, die an diese Besuche erinnern. Diese Informationen werden von der jeweiligen Führerin (Kim dolmetscht dazu) in einer ergriffen-weinerlichen Stimme vorgetragen.

Weiter gehts zur nächsten Attraktion: Eine Pagode, für die wir einen kleinen Hügel erklimmen müssen, von wo man aber einen schönen Rundumblick hat. Übrigens ist das Wetter während der kompletten Reise ausgesprochen schön, bis auf einen halben Tag haben wir komplett Sonnenschein.

Der letzte Programmpunkt des heutigen Tages ist dann wieder so gut, der bekommt einen eigenen Artikel.

Panmunjeom und die DMZ

Meine erste Nacht in Nordkorea schlafe ich Jetlag-bedingt wie ein Stein und habe Schwierigkeiten, morgens aus dem Bett zu kommen. Ohne den Weckruf von Kim hätte ich trotz doppeltem Wecker verschlafen. Zum Frühstück freffen wir uns alle in einem der Restaurants, wo es ein typisch asiatisches Buffet gibt. Die Auswahl ist reichlich, das wird sich allerdings in den kommenden Tagen ändern. Heute gibt es gebratenes Gemüse, Tofu, Fisch, daneben Toast, Spiegeleier, Hefebrötchen, Marmelade usw. Ich bin ziemlich durch den Wind, probiere alles, befinde mich aber immer noch im Zombie-Modus.
Nach dem Frühstück treffen wir uns vor dem Hotel, werden in den Bus geladen und wir fahren bei aufgehender Sonne los durch Pjöngjang. Der gestrige Eindruck bestätigt sich: die Stadt ist extrem sauber, überall fegen Leute die Straßen, pflegen Gras und Hecken, etc. Ich sehe nirgendwo Müll rumliegen.
Pjöngjang ist groß, hat 3 Millionen Einwohner, die jedoch fast ausnahmslos in riesigen Plattenbauten leben, so dass es keinerlei Vororte gibt: plötzlich ist die Stadt zu Ende und man ist auf dem Land. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn auf die letzten Hochhäuser folgen sofort bestellte Felder.

Es ist gerade Erntezeit und überall links und rechts der Straße sehen wir Massen von Arbeitern und Soldaten beim Ernteeinsatz. Vornehmlich ist das Reis, aber auch Mais-, Kartoffel- und Baumwollfelder sind zu sehen. Was gestern schon bei der Baustelle am Flughafen aufgefallen ist, wird bei der Landarbeit erst richtig deutlich: Hier ist Handarbeit angesagt. Mit primitivsten Mitteln, sprich mit Sicheln und höchstens ein paar Ochsenkarren wird die Ernte eingebracht. Ich habe sowas noch nie gesehen, das ist Plackerei wie im 19. Jahrhundert. Gedroschen wird von Hand, der Mais liegt überall grossflächig ausgebreitet zum Trocknen in der Sonne. Unter anderem auf einem Stück Autobahn.

Der Zustand der Strassen ist erwartet schlecht, wir kommen in etwa mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50km/h voran. In Pjöngjang selbst ist der Verkehr nicht so mager wie erwartet, es gibt zwar keine Staus, aber immerhin sind die Straßen einigermassen befahren. Ausserhalb der Stadt sieht es etwas anders aus, hier fahren wir immer mal wieder minutenlang ohne irgendwelche Fahrzeuge zu sehen. Wenn wir dann welche sehen, stehen die ziemlich oft mit einer Panne am Straßenrand.

Die Fahrzeuge selbst bieten eine interessante Mischung: Es gibt einerseits neue westliche Luxusmarken, wir sehen diverse fette SUVs und Mercedes, einmal sogar einen Hummer, zum anderen uralte russische Gefährte, viele LKWs sogar mit Holzvergaser. ‘Unglaublich’ ist ein ziemlich oft benutztes Wort.

Irgendwann machen wir an einer Raststätte halt, es gibt eine Toilette ohne Spülung und ein paar Stände, wo Souvenirs, Obst, Zigaretten und Schnaps verkauft wird, wir finden eine Flasche Berenzen Korn unter den Spirituosen.

Nach etwa drei Stunden Fahrt kommen wir an der Genze zur Demilitarisierten Zone an, hier müssen alle Busse anhalten, die Passagiere aussteigen und die leeren Busse werden durchsucht, ob sich nicht etwa ein Flüchtling im Gepäckabteil versteckt hat. Während wir warten, besichtigen wir einen Souvenirshop und einen Raum, wo die Grenzanlagen dokumentiert sind. Überall natürlich die Portraits der beiden Führer an der Wand.
Wir müssen uns dann in einer Reihe aufstellen und als unsere Gruppe an der Reihe ist im Gänsemarsch durch diverse Befestigungsanlagen und Panzersperren marschieren, bis wir zu einem Platz kommen, wo das Gebäude steht, in dem zum Ende des Koreakrieges die Waffenstillstandsverhandlungen stattgefunden haben. In einem Raum steht ein Tisch, auf dem die unterzeichneten Urkunden ausgestellt sind, in zweifacher Ausfertigung, einmal für die Nordkoreaner in Koreanisch und einmal für die UNO in Englisch. Wir werden recht schnell wieder weitergescheucht und fahren dann mit dem Bus durch die DMZ nach Panmunjeom, wo die berühmten Baracken stehen, die Grenze verläuft genau durch die Mitte der Gebäude. Die südkoreanische Seite ist wie ausgestorben, auf der Nordseite stehen Soldaten stramm. Wir dürfen in die mittlere Baracke rein, dort steht genau in der Mitte ein Tisch, durch den die Grenze verläuft. Wir dürfen aber in dem kompletten Gebäude rumlaufen, befinden uns also technisch auch auf kapitalistischem Boden.

Ich werde versuchen, später noch etwas mehr dazu zu schreiben, aber die ganze Anlage vermittelt ein Gefühl, das schwer zu beschreiben ist. Der feierliche Ernst, mit dem die nordkoreanischen Führer und das Personal dort mit allem umgehen hat etwas furchtbar trauriges und ist für uns trotzdem so bizarr lustig, dass ich mir das Lachen oft kaum verkneifen kann.

Mit uns ist eine große Gruppe Chinesen vor Ort, die das alles offensichtlich nicht so ernst nehmen. Unbekümmert lassen sie sich mit den Soldaten fotografieren, die nicht so recht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Eine dralle Chinesin ist von meiner Frisur begeistert. Sie überfällt mich mit einem Schwall Chinesisch, tatscht mich an und will unbedingt ein Foto mit mir, sie fummelt an meinen Haaren rum und drückt sich für das Foto an mich. Danach nimmt sie mir meine Sonnenbrille ab, setzt sie sich auf die Nase und drückt mir ihr Handy in die Hand, damit ich sie damit fotografiere. Ich warte darauf, dass sie mir ihre Zimmernummer zusteckt (alle Ausländer sind im gleichen Hotel untergebracht), das passiert aber nicht.

Wir brechen dann auf und fahren zurück in die Stadt Kaesong zum Essen.

Peking – Pjöngjang

In Peking regnet es als ich ankomme, da ich mich aber sowieso nur ein paar Stunden auf dem Flughafen aufhalte, ist mir das Wetter herzlich egal.
Nachdem ich gelandet bin, muss ich erstmal komplett auschecken, da der Flug nach Pjöngjang separat vom Reiseveranstalter gebucht wurde. Als das erledigt ist, setze ich mich in die nächstbeste Bar und kippe drei Bier (um 7:30h morgens), die mich endgültig ins Zombieland schicken.

Vier elend langsame Stunden später öffnet der Checkin und der Chinese von der Security nimmt mir erstmal sämtliche mitgebrachten Feuerzeuge ab, das wars dann mit den Geschenken. Nochmal eine Stunde warten, dann gehts endlich los. Der Flieger ist, wie zu erwarten war, eine etwas ältere Iljuschin, bietet aber gute Beinfreiheit. Die Maschine ist zu gut drei Vierteln gefüllt und zu meinem Erstaunen sind bestimmt die Hälfte der Passagiere keine Asiaten. Das Bordprogramm besteht aus Propagandamusik und später auf den Bildschirmen dem Konzert einer Frauenkapelle, die, allesamt in Uniform, vor dem Hintergrund einer alten Mig eine seltsame Mischung aus Klassik und Pop darbietet. Als Snack wird ein kaltes Etwas serviert, auf der Verpackung steht ‘Hamburger’, ich bringe es aber nicht übers Herz, reinzubeissen.

Direkt neben mir sitzt bei Start und Landung eine der Stewardessen, die umwerfend aussieht und mich so entzückend anlächelt, dass ich sie am liebsten sofort mit nach Hause nehmen und heiraten würde. Während des Landeanfluges versuchen wir eine Unterhaltung. Nach einigen Höflichkeitsfloskeln, wo ich herkomme und ob es mein erster Besuch in Ihrem Land sei, fragt sie mich unvermittelt, was ich denn über Ihren geliebten Führer denke. Damit habe ich nicht gerechnet und komme ins Stottern. Ich versuche, diplomatisch zu sein und erläre ihr, dass die Darstellung der Kims in den westlichen Medien ja recht negativ sei und ich diese Reise unter anderem deswegen unternehmen würde, um mir vor Ort selbst ein Bild zu machen. Das scheint sie zu freuen.

Sie kann mir allerdings nicht dabei helfen, die drei Einreiseformulare auszufüllen. Dort muss man nämlich eintragen, zu welcher Delegation man gehört und wer die Einladung ausgesprochen hat, was ich nicht beantworten kann, da Herr Schneider, der Veranstalter, mir dazu keinerlei Informationen gegeben hat. Ich trage also überall nur ‘nordkorea-info.de’ ein.

Nach der Landung werden wir mit Bussen abgeholt und fahren eine ganze Weile über den Flughafen, auf dem wie wild gebaut wird. Und zwar alles von Hand. Ich sehe Scharen von Soldaten, die fast ohne Maschinenunterstützung Sand schaufeln, Steine schleppen, Flächen planieren, etc.

Das Flughafengebäude sieht aus wie eine schmutzige Lagerhalle, fotografieren traue ich mich nicht, das mache ich besser erst bei der Ausreise. Bei der Einreise muss ich durch drei Kontrollen, die alle meine Formulare akzeptieren, allerdings macht der letzte Posten Stress, weil ich einen GPS-Receiver dabei habe. Das habe ich in einem der Formulare wahrheitsgemäss angegeben, ich erkläre dem Typen auch, dass ich weiss, dass das Gerät hierbleiben muss und ich damit keine Probleme habe, sofern ich es bei der Ausreise auch wiederbekomme. Trotzdem behält er auch meinen Pass, mein Handy und meine Kamera ein und schickt mich dann ohne Erklärung durch. Jetzt stehe ich da, ziemlich verpeilt, ohne Pass und Technik und habe keine Ahnung, was gerade passiert ist.

Ich sehe niemanden mit meinem Namen, ‘nordkorea-info.de’, oder ‚Schneider‘ auf einem Schild. Ich wende mich an eine junge Französin und ihren koreanischen Begleiter, die sich beide offensichtlich auskennen und die beiden reden nicht nur mit dem Soldaten der meinen Pass hat, sondern finden auch meinen Guide, der die Situation schnell aufklärt. Es ist wie erwartet so, dass ich das GPS bei der Ausreise wiederbekomme, der Soldat steckt dazu einen Zettel in meinen Pass und übergibt ihn meinem Guide, Handy und Kamera bekomme ich wieder.

Der Guide, der perfektes Deutsch spricht, stellt sich als ‘Kim’ vor, seinen Vornamen könne sowieso keiner aussprechen. Draussen lerne ich dann meine Gruppe kennen: zwei rüstige Rentner namens Frieder (eigentlich Friedrich Wilhelm) und Ulrich, die sich schon seit Ewigkeiten kennen und regelmässig gemeinsam verreisen, sowie einen Schwabe namens Wolfgang, um die 50, der z.Zt. in China arbeitet. Ich denke mir noch ‚das wird bestimmt langweilig, das sind ja nur alte Säcke‘, werde diese Meinung aber ganz schnell revidieren, die drei sind nämlich nicht nur extrem nett und unterhaltsam, sondern auch überaus trinkfest. Um ehrlich zu sein, bin ich grundsätzlich der erste, der abends die Segel streicht. Wir stellen uns vor und sind schnell alle beim ‘Du’. Dann gibts noch den Fahrer und zuletzt den Aufpasser, ein schweigsamer junger Mann der nie lächelt und (angeblich) kein Deutsch spricht. Vorsicht.

Wir fahren nicht direkt ins Hotel, sondern gleich zum ersten Programmpunkt, dem Platz mit den beiden riesigen Bronzestatuen von Kim Il Sung und seinem Sohn Kim Jong Il. Die sind als Bauwerke schon ziemlich beeindruckend, davor verbeugen müssen wir uns natürlich auch, Blumen will ich für die beiden aber keine kaufen. Auf dem Weg dahin und dann Richtung Hotel bekommen wir einen ersten Eindruck von der Stadt und ich muss verblüfft zugeben, dass es mir gefällt. Natürlich ist Pjöngjang keine lebendige Metropole, aber so ausgestorben wie berichtet wird ist die Stadt nicht. Es gibt sogar richtigen Autoverkehr und überall wo wir vorbeikommen laufen Menschen geschäftig durch die Gegend. Des weiteren ist die Stadt sehr sauber und ziemlich grün, wir kommen an mehreren gut gepflegten Parks und Grünflächen vorbei.

Endlich können wir dann im Yanggakdo-Hotel einchecken, ich bin immerhin jetzt seit über 30 Stunden auf den Beinen. Mein Zimmer befindet sich im 17. Stock und ist völlig in Ordnung. Zwar schon etwas runtergekommen, was man beim Betreten der glänzenden Lobby nicht vermuten würde, aber sauber und ausreichend. Und man darf im Zimmer rauchen.
Eine Stunde haben wir Zeit zum Frischmachen, dann gibts Abendessen in einem der Hotelrestaurants. Karte gibts keine, wir müssen essen was uns vorgesetzt wird, aber das Essen ist ziemlich gut und vor allem reichhaltig. Zuerst gibts eine Suppe mit Glasnudeln drin, einen kleinen Salat und ein kleine Schüssel Kimchi. Danach Reis und frittierter Fisch und zuletzt eine Art panierten Fleischklops mit Tofu und irgendwas undefinierbaren, sieht ein wenig aus wie frittierte dünne Nudeln, wir finden aber nicht raus was es ist.
Zum Abschluss setzen wir uns auf ein Bier in die Hotelbar in der Lobby. Die anderen drei fahren danach noch auf mehr Bier in den 47. Stock, da gibts nämlich ein sich drehendes Restaurant, ich kann aber nicht mehr und falle in mein Bett. Morgen früh um 7:30 gibts Frühstück und um 8:00h fahren wir los nach Kaesong zur DMZ.

Amsterdam – Peking

Dieser Flug, der von China Southern durchgeführt wird, ist der einzige, für den ich nicht schon online einen Sitzplatz reservieren konnte. Bein Self-Checkin am Automaten in Tegel kann ich das auch nicht und bekomme einen zugewiesen. Das gefällt mir überhaupt nicht. Ich habe einen mittleren Platz in der mittleren Vierer-Reihe. Großartig. Neben mir sitzt natürlich ein Kind.

Es gibt ja eine Menge Klischees und Vorurteile über und gegenüber Chinesen, die wahrscheinlich alle genauso zutreffen wie sie falsch sind. Eines davon besagt, dass, bedingt durch die Ein-Kind-Politik, chinesische Eltern das einzige Kind nach Strich und Faden verhätscheln. Weswegen dann wohl eine Unzahl verwöhnter Rotzbengel und -gören rumrennt, die Ihren Eltern auf der Nase herumtanzen. Ein solches Exemplar habe ich erwischt.

Er will nicht stillsitzen. Er will sich nicht anschnallen. Er will nichts essen. Er will unbedingt jetzt was essen. Das Balg zappelt, tritt und schubst mich am Stück, immer dann wenn ich grad am einnicken bin. Nach mehreren Stunden Generve niest er in meine Richtung, natürlich ohne sich die Hand vor den Mund zu halten und rotzt mich dabei an. Jetzt reichts. Ich keife die Mutter an, dass sie jetzt SOFORT ihren kleinen Bastard in den Griff bekommt, oder sie sich beide einen anderen Sitzplatz suchen sollen.
Die Mutter pariert und tauscht den Platz mit ihrem Sprössling, die Mitreisenden schauen mich an, als hätte ich dem Bengel gerade ein paar Zähne ausgeschlagen. Jetzt habe ich keine Freunde mehr im Flieger, dafür aber meine Ruhe und kann ein paar Stunden schlafen.

Ankunft morgens um 6:30h Ortszeit, hier schon am folgenden Tag, dem Samstag.

Berlin – Amsterdam

Die Reise fängt damit an, dass der Flug nach Amsterdam wegen schlechter Wetterbedingungen in Holland verschoben wird. Zuerst um 20 Minuten, dann um eine Stunde, dann auf unbestimmte Zeit. Ich kann mir ja so einiges vorstellen, was mir in die Quere kommen könnte, Unruhen in China, Vulkanausbruch in Island, Krieg in Korea, aber Nebel in Amsterdam…
Ich buche aber grundsätzlich nur Flüge mit Transferzeiten von mindestens zwei Stunden, deswegen macht mir das keine Sorgen, ich ärgere mich nur, denn hätte ich das gewusst, hätte ich länger schlafen können.
Mit einer guten Stunde Verspätung landen wir dann schliesslich in Amsterdam, wo der Flughafen riesig ist, ich laufe gut 20 Minuten bis ich am richtigen Gate bin. Wo ich erfahre, das auch der Flug nach Peking eine Stunde später startet.

NK / Peking – Vorbereitungen

Der Termin rückt näher, ich bin mit den Vorbereitungen fast fertig: Die Visa hab ich, mittlerweile habe ich auch mein Flugticket von Peking nach Pjöngjang bekommen. So wie es aktuell aussieht, wird unsere Gruppe aus vier Personen bestehen, Herr Schneider (der Veranstalter) wird nicht mitkommen. Wir haben also für vier Gäste zwei Reiseleiter/Aufpasser, da wird es nicht möglich sein, sich mal unbemerkt wegzuschleichen.

Um Geschenke verteilen zu können, habe ich eine menge Kugelschreiber (für Kinder) und Feuerzeuge (für die Erwachsenen) dabei, das ist unverfänglich und laut diversen Berichten sind das zwei Artikel, über die sich die Leute dort sehr freuen. Es ist auch üblich, am Ende der Reise den Aufpassern und Fahrern ein Trinkgeld zu geben und evtl. ein Geschenk aus seiner Heimatstadt zu überreichen, deswegen habe ich einen kleinen Bildband über Berlin besorgt.

Für Nordkorea bin ich damit gerüstet, ich habe ausserdem meinen Reiseführer studiert, mitnehmen werde ich den aber nicht, da der Autor realistisch und damit zuweilen recht kritisch urteilt und ich damit nicht mich, aber unseren nordkoreanischen Begleiter in Schwierigkeiten bringen könnte. Der Grund, warum jeder Reisende immer gleich zwei Begleiter zur Seite bekommt ist nämlich der, dass einer davon der eigentliche Reiseleiter ist und der zweite nur dazu dient, den ersten zu überwachen…

Für Peking, wenn ich mich dann endlich wieder autark bewegen kann, habe ich eine ewig lange Liste mit Dingen, die ich mir anschauen möchte. Ich werde noch nicht mal die Hälfte davon schaffen, aber ganz vorne stehen:

und noch an die 20 weitere Ziele in Peking und der näheren Umgebung. Bereits gebucht habe ich einen Spaziergang über einen örtlichen Markt und einen Kochkurs, beides bei ‚The Hutong‚, das ist eine ziemlich coole Truppe aus Chinesen und Langnasen, die in einem alten Hutong ein kulturelles Austauschzentrum gegründet haben und neben den Kochkursen z.B. auch Outdoor-Aktivitäten für in Peking arbeitende Ausländer anbieten. Ich habe den Kurs ‚Chinese Essentials B‘ gebucht und werde ‚dry fried Beans‘, ‚Chinese style seasonal Salad‘ und ‚Gongbao Chicken‘ kochen und essen (müssen).

Auf das Essen bin ich sowieso gespannt, das was man in Europa in chinesischen Restaurants bekommt, hat natürlich nicht viel mit echter chinesischer Küche zu tun, zumal es ‚die chinesische Küche‘ sowieso nicht gibt, zu groß sind die regionalen Unterschiede. In Peking wird das meiste auch europäisiert sein, was mir aber nicht wirklich was ausmacht, letztes Jahr war ich mit Tini und Babsi in Kreuzberg in ‚Tangs Kantine‚, wo das Essen ziemlich authentisch sein soll und besonders begeistert war ich nicht, von dem Schweineohr hätte ich beinahe auf den Tisch gekotzt.

Insekten oder ähnliches werde ich auslassen, Sascha, der aktuell in Peking ist, hat mir berichtet, er hätte lebende Skorpione am Spiess gegessen, darauf kann ich gerne verzichten. Ich bin trotzdem gespannt auf seinen Bericht, er und Katja kommen ein paar Tage vor meiner Abreise wieder zurück und wir haben schon abgemacht, dass wir uns in jedem Fall nochmal treffen bevor ich weg bin.

 

NK / Peking Visum Teil 3

Am Ende ist dann alles doch nicht so schlimm: Ohne weitere Kontaktaufnahme seitens des Konsulats erhalte ich eine Email mit Zahlungsanweisungen und drei Tage nachdem ich das Geld überwiesen habe, liegt mein Pass mit Visum im Briefkasten.

Somit ist von meiner Seite alles erledigt, Anfang September werde ich dann weitere Informationen zur NK-Reise vom Veranstalter bekommen. Interessanterweise muss ich hier nur eine Anzahlung leisten, ich welcher Höhe weiss ich noch nicht, den Rest der Reisekosten muss ich vor Ort in Bar (!) bezahlen. Devisenbeschaffung leicht gemacht. Ich habe ein Bild vor Augen wie Herr Schneider, der Reiseveranstalter, dann am Flughafen einem sonnenbebrillten Typen im Trenchcoat unauffällig einen dicken Umschlag in die Hand drückt. Ich hoffe, ich kann so viel wie möglich im Voraus bezahlen, mit so viel Geld in der Tasche zu reisen ist mir nicht wirklich angenehm.

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