Pjöngjang 3 – der Sonnenpalast

Mich gestern auszuklinken war eine gute Idee, denn heute geht es mir schon wesentlich besser. Bei seinem morgendlichen Weckruf erklärt mir Kim, dass wir heute früh als erste Aktion den Sonnenpalast besichtigen, also den Ort, an dem die Kadaver der beiden Führer aufgebahrt sind. Entsprechende Kleidung sei erwünscht. Ich muss lachen und erkläre Kim, dass ich keine passende Kleidung dabei habe, noch nichtmal besitze. Dann solle ich doch aber bitte keines der T-Shirts mit den schrecklichen Bildern drauf anziehen. Ok, mach ich. Und wenn ich meine Piercings rausnehmen könnte, weil die Metalldetektoren seien dort arg empfindlich. Ich muss wieder grinsen und erkläre ihm, das sei ohne Werkzeug leider nicht möglich. Wäre ja noch schöner.

Ich darf dann natürlich doch rein und was wir da zu sehen bekommen, übertrifft alles. Strengstes Fotoverbot natürlich, Worte können die Eindrücke leider nicht wirklich beschreiben.
Zuerst werden wir flughafenmässig gefilzt. Alles, wirklich alles was wir in den Taschen haben, müssen wir abgeben, sogar die Zimmerkarten vom Hotel. Wir müssen über eine Art Steg laufen, auf dem mit rotierenden Bürsten die Schuhe gesäubert werden, danach noch über ein Stück feuchten Teppich, wahrscheinlich zur Desinfektion. Für die Schuhe bekommen wir danach Überzieher.

Nun geht es über diverse Treppen in einen langen Korridor mit einem Laufband. Wir fahren in Zeitlupe, die Wände sind mit Portraits der Führer gesäumt. Es dauert bestimmt 10 Minuten, bis wir durch sind, Zeit zur Kontemplation. Mit uns sind Scharen von Nordkoreanern unterwegs, alle im Sonntagsoutfit, dazwischen ich, mit Wanderhosen, Turnschuhen und Fleece-Jacke. Ich hoffe, Kim bekommt deswegen keinen Ärger. Dann müssen wir noch durch eine Schleuse, in der wir von allen Seiten mit Luft bepustet werden, damit ja kein Stäubchen mehr an uns ist.

Schliesslich kommen wir ins Allerheiligste, ein Raum im Zwielicht, vier Säulen mit Ehrenwache und in der Mitte der gläserne Sarg mit dem geliebten Führer drin. Im Gänsemarsch geht es einmal herum, von vorne und von beiden Seiten müssen wir uns verbeugen, dann geht es wieder raus. Alle Nordkoreaner sind ergriffen, die Männer wischen sich verstohlen die Tränen aus den Augenwinkeln, die Frauen schluchzen. Ulrich bemerkt trocken, zum Glück hat der Adolf den Krieg verloren, sonst hätten wir jetzt auch sowas. Und damit hat er Recht, die Führerverehrung, die Monumentalbauten in der Stadt und die permanente Gegenwart des Militär, das alles hat etwas ekelhaft faschistisches. Ich denke im Deutschland der späten 30er herrschte eine ähnliche Atmosphäre. Gruselig.

Wir kommen dann durch einen Raum, in dem alle möglichen Orden ausgestellt sind, die der Oberguru verliehen bekam, danach in eine große Halle, in dem der Zug ausgestellt ist, in dem er sich fortzubewegen pflegte. Dazu eine riesige Weltkarte an der Wand, auf der mit blinkenden LEDs die Auslandsreisen markiert sind, die er unternommen hat. Es geht aber noch größer: in der nächsten Halle steht ein Flugzeug, ein Geschenk von Stalin aus den 50ern. Lustigerweise litt der Führer unter Flugangst, so dass er die Maschine nur ein einziges Mal benutzt hat, nämlich als er Stalin besucht hat. Der wäre sicher sauer gewesen, hätte man dazu nicht sein Geschenk benutzt.

Die gleiche Prozedur mit den gleichen Räumen wiederholt sich dann mit dem Sprössling, interessantes Detail: in dessen Zug steht auf seinem Schreibtisch ein MacBook. Die Technik des Klassenfeindes war offensichtlich willkommen.

Wir kommen dann ziemlich sprachlos wieder raus. Wir suchen nach Vergleichen, das einzige was uns einfällt sind die Pharaonen, die sich schon zu Lebzeiten riesige Denkmäler erschaffen haben. Nirgendwo sonst wird der Gegensatz zwischen Führerkult und Wirklichkeit so deutlich. Die komplette Anlage ist, mehr noch als die Hallen der Freundschaftsausstellung, mit gigantischem Aufwand aus edelsten Materialien geschaffen. Dazu gehört ein großer Park mit Springbrunnen und allem, der mich an Versailles erinnert. Ein unbeschreiblicher Prunk, der, um bei dem Vergleich zu bleiben, des Sonnenkönigs würdig wäre.

Der Sonnenpalast ist für die Nordkoreaner wohl sowas wie Mekka, einmal im Leben muss man da hinpilgern. Wir fragen uns, was in den Leuten beim Anblick dieses Luxus vorgeht, wenn sie das Bild mit ihrem täglichen armseligen Leben vergleichen. Wir vermuten, dass die Menschen hier ihre persönliche schlechte Lage überhaupt nicht mit den geliebten Führern in Zusammenhang bringen, so wie auch in Deutschland die Leute, als sie nach Kriegsende durch die KZ geführt wurden, noch behauptet haben: ‚davon hat der Führer nichts gewusst.‘

Wieder einmal sind wir äusserst beeindruckt, aber nicht in der Art, wie sich unsere Gastgeber das wünschen. Fotos gibts aus den genannten Gründen keine.

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