Zum ersten Mal auf dieser Reise wache ich mit einem leichten Kater auf und das nach mehr als einer Woche, wurde auch Zeit. Über Nacht hat es geregnet und am Morgen sind die Temperaturen merklich tiefer, was sehr willkomen ist. Ich komme früh los und sitze nach einem kurzen Sprint, welcher den Restalkohol endgültig vertreibt, gegen 10h im Zug Richtung Hiroshima. Neben mir sitzen zwei alte, fette und unsympathische Italienerinnen, die nicht mehr ganz frisch riechen und keine Sekunde die Klappe halten können. Aber zum Glück gibts Kopfhörer und ich überstehe die Fahrt ohne Wutanfall.
Auch hier habe ich gut 1,5km Fußmarsch zum Hotel, aber heute macht es mir nichts aus: es herrscht tolles Wetter, Sonnenschein, ein leichter Wind und geschätzt 25°, außerdem gefällt mir die Stadt auf Anhieb. Wie könnte es auch anders sein, wenn das Erste was ich sehe als ich aus dem Zug steige, ein paar grinsende junge Japaner/innen sind, die Schilder hochhalten, die sie als ‚freiwillige Touristenhelfer‘ ausweisen. Ich brauche trotzdem keine Hilfe und spaziere gut gelaunt entlang des Peace Boulevard zum Hotel, wo ich einchecke und, da mein Zimmer noch nicht fertig ist, mein Gepäck deponiere und mich wieder auf den Weg mache.
Erstes Ziel ist logischerweise der Friedenspark mit den Gedenkstätten zum Atombombenabwurf, ein paar Gehminuten vom Hotel entfernt. Diese Anlage beinhaltet mehrere Einrichtungen, das Friedensmuseum und die Friedenshalle spare ich mir für morgen, heute schaue ich mir nur den Park selbst und alle Gedenkstätten im Freien an. Ich mag jetzt nicht alles einzeln aufzählen, falls es jemanden interessiert, Wikipedia weiss Bescheid. Mich beeindruckt das alles sehr, wer mich kennt weiss um mein Interesse an der Geschichte des 20. Jahrhunderts, dazu kommt noch meine unerklärliche Faszination für alle nuklearen Themen, ja ich weiss, ich bin seltsam, jedenfalls ist Hiroshima für mich ein ganz besonderes Ziel. Dazu kommt noch, dass mir die Stadt auch ohne den historischen Hintergrund einfach gut gefällt. Ich halte mich mehrere Stunden in und um den Park auf, gegen 16h gehe ich zurück ins Hotel.
Obwohl bisher die teuerste Unterkunft, entpuppt sich das Reio Inn Hotel als ziemliche Absteige, die Lobby ist noch einigermaßen hübsch, alles oberhalb des Erdgeschosses hat den Charme eines Sowjet-Krankenhauses aus den 50ern. Mein ‚Deluxe Familienzimmer‘ besitzt zwei Betten und ein ranziges Sofa, der ‚Stadtblick‘ beschränkt sich auf den Blick auf die Wand des gegenüberliegenden Gebäudes, welches ca. 40cm von meinem Fenster entfernt ist. Ich nehme es mit Humor, besorge mir ein paar Bier und richte mich ein. Da das Radfahren gestern so gut funktioniert hat, reserviere ich mir am Empfang für den morgigen Tag wieder ein Fahrrad.
Später gehe ich nochmal los und schaue mir die Stadt im Dunkeln an. Einige Straßen sind als Fußgängerzonen gestaltet und komplett überdacht, alles ist hell und voller Leute, ein Gemisch aus Einheimischen und Touristen aller Art, Ich würde mich gerne in eine kleine Bar setzen wo ich rauchen darf, ein paar Bier trinken und eine Kleinigkeit essen. Nachdem ich ewig im Kreis rumgelaufen bin und meine Nase in 20 Läden gesteckt habe, mir aber nichts passt, will ich schon aufgeben und bin auf dem Rückweg. Ich lande dann doch noch in einem kleinen Restaurant, bei dem man an einem Automaten am Eingang sein Essen und Trinken auswählt und gleich bezahlt. Der Automat spuckt dann eine Quittung aus, die die Kellnerin gleich mitnimmt. Keine 5 Minuten nachdem ich sitze kommt auch schon mein Essen. Ich habe eine gegrillte Makrele bestellt, dazu kommt eine Miso-Suppe, Reis und ein Stück sehr weicher Tofu. Der Tofu, wenn es denn Tofu war, ist etwas merkwürdig, aber der Rest schmeckt sehr gut. Hinterher bin ich einmal mehr platt von dem Tag und liege um 21h im Bett.