St. Petersburg 3

Und weiter gehts. Da meine Zeit hier sehr begrenzt ist, musste ich im Vorfeld bei der Auswahl der Aktionen sehr selektiv vorgehen. Ich habe mich für den Katharinenpalast samt zugehörigen Park entschieden, obwohl der ein wenig ausserhalb liegt, dafür bekomme ich das legendäre Bernsteinzimmer zu sehen.

Die Anreise ist ein wenig holperig, ich weiss dass ich ab der Metrostation Kupchino den Linienbus nr. 186 nehmen muss, steige aber erstmal in die falsche Richtung ein. Das merke ich erst, als mich die resolute Kassiererin an der Endstation rausschmeisst. 10 Minuten später fahre ich dann in die richtige Richtung, weiss aber nicht, wo ich aussteigen muss und sehe den Palast erst, als wir längst an der Haltestelle vorbei sind, was mir dann nochmal ca. 10 Minuten Fußmarsch einbringt.

Es hat sich aber gelohnt, der Palast ist toll. Alle müssen sich zuerst Überzieher für die Schuhe anziehen, dann gehts los. Die Räume, die man besichtigen darf, sind wieder einmal unverschämt prunkvoll, zudem wenn man bedenkt, dass das lediglich ein Landsitz der Zarenfamilie war. Höhepunkt natürlich das restaurierte Bernsteinzimmer, in dem man nicht fotografieren darf. Ein paar Aufnahmen schiesse ich trotzdem aus der Hüfte.

Mittlerweile regnet es, so dass ich mir den zugehörigen Park schenke, zurückfahre und die Zeit nutze, nochmal die Eremitage zu besuchen. Allerdings laufe ich nur noch zwei Stunden mehr oder weniger uninspiriert durch die Gegend. Die komplette Skulpturen-Abteilung hatte ich gestern ausgelassen, so interessant ist das für mich auch nicht, lustig finde ich die Tatsache, dass ein nicht unbedeutenderTeil der männlichen Skulpturen kastriert ist. Es gab angeblich irgendwann mal einen Papst, der zum Bildersturm, oder vielmehr Penissturm aufgerufen haben soll, allerdings konnte ich keine Belege dafür finden. Bleibt die Frage, ob die Dinger abgebrochen sind, oder mutwillig entfernt wurden.

Ich quäle mich dann noch durch eine Sonderausstellung zum Thema altes Ägypten, aber für heute reicht es mir danach. Es scheint wieder die Sonne, aber ich kann mich nicht mehr zu irgendwelchen Aktivitäten überwinden, die zwei Tage mit einer Überdosis Kunst haben mich geschafft.

St. Petersburg 2

Da ich gestern mehr oder weniger nichts gemacht habe, bin ich heute fit und bereit für den ersten Museums-Tag. Die Eremitage ist mit ihren 5 Gebäuden eines der größten Kunstmuseen der Welt, die ca. 60.000 Exponate verteilen sich auf mehr als 350 Säle. Abgesehen von den Sammlungen, die archäologische Funde, Objekte zur Russischen Geschichte und vor allem Gemälde und Skulpturen beinhalten, sind auch die Räumlichkeiten selbst mehr als sehenswert, vor allem natürlich der Winterpalast.

Ich bin pünktlich zur Öffnung um 10:00h da, dank des per Internet vorbestellten Tickets muss ich auch nicht anstehen und ich starte mit der archäologischen Abteilung im Erdgeschoss. Das ist schonmal toll, es geht los mit urzeitlichen Funden von Faustkeilen usw. und reicht bis ins Mittelalter, besonderer Fokus natürlich auf den Russischen Vorfahren, die Urvölker Sibiriens haben z.B. eine eigene Abteilung.

Wie bei allen besuchten Museen bisher ist auch hier sehr wenig auf Englisch beschriftet, heute ist mir das aber nicht so unrecht, sonst würde ich nämlich noch länger für alles brauchen. Die Informationsfülle ist schon alleine durch das Anschauen groß genug. Ich bewege mich dann in den ersten Stock des Winterpalastes zu den Gemäldegalerien, wo ich mich zu meinem eigenen Erstaunen ewig aufhalte.

Ich bin ja bekennender Kunstbanause, das heisst ich habe wenig bis keine Ahnung von Kunst und Kunstgeschichte, kenne zwar einige Namen, aber das wars auch schon. Trotzdem schaue ich mir gerne alte Gemälde an und ausserdem bin ich ein großer Freund der durchgeknallten Werke von Hieronymus Bosch und den anderen niederländischen/flämischen Stechapfelkonsumenten wie die Brueghels, Jan Mandyn usw.

Logischerweise halte ich mich also am längsten in den Abteilungen Niederländische und Flämische Maler auf, alles andere schaue ich mir aber zumindest im Vorbeigehen an. Das alles ist so riesig, ich verirre mich trotz nummerierter Säle und Plan mehr als einmal und lande dann irgendwo wo ich noch nicht war. Egal, ich mache weiter und stelle wieder einmal fest, dass ich mit der Kunst des 19. und besonders des 20. Jahrhunderts nicht viel anfangen kann. Damit ist das 2. OG schnell erledigt.

Wie vorausgesehen habe ich gegen 16:00h trotz mehrerer Pausen in den diversen Cafes des Museums genug und ich stolpere nach draussen. Zurück im Hostel schlafe ich glatt ein, wache aber zwei Stunden später wieder auf weil ich Hunger habe. In einem kleinen Laden um die Ecke esse ich einmal mehr Pelmeni, dann gibt es noch ein paar Gute-Nacht-Biere und das wars.

St. Petersburg 1

Wie angekündigt mache ich heute Pause, ich schlafe aus (zum ersten Mal auf dieser Reise liege ich auf einer nicht komplett durchgelegenen Matratze), wasche Wäsche und gammele rum. Was mir dann am Nachmittag aber wieder langweilig wird und so marschiere ich noch ein paar Stunden ziel- und planlos durch die Gegend und schiesse ein paar Fotos.

Um die Ecke vom Hostel finde ich das Erotik-Museum, wo man unter anderem angeblich Rasputins Penis ausstellt. Da ich aber aus gut unterrichteten Kreisen weiss, dass es sich dabei nicht um den legendären Schwengel des Mönches, sondern um eine Seegurke handelt, verzichte ich auf den Besuch.

Morgen steht dann die Eremitage an, ich hab vorsichtshalber ein Zwei-Tages-Ticket besorgt, weil ich weiss dass ich unmöglich einen kompletten Tag vom Morgen bis zum Abend in einem Museum verbringen kann, irgendwann tun dann nämlich die Füsse und der Kopf weh. Die Eremitage ist allerdings so groß, dass man genau das machen müsste, um wenigstens das wichtigste zu sehen, also verteile ich die Sache auf zwei Tage.

Moskau – St. Petersburg

Ich schaffe es dann doch, zumindest ein paar Stunden zu schlafen und wache tatsächlich genau 2 Minuten vor dem Wecker auf. Im Hostel ist alles ruhig, meine Zimmernachbarn müssen sich ordentlich zugerichtet haben, die Tür steht auf und das Licht brennt, von oben tönt Schnarchen. Ich mache das Licht aus und die Tür zu, aus dem Bett kommt ein gegrunztes ‚Thank you‘.

Als ich dann gegen 6:00h aus dem Haus gehe, stelle ich fest, dass der Arbat blitzblank geputzt ist, die Stadtreinigung war schon da. Ausser ein paar Schnapsleichen sehe ich kaum Leute, in der Metrostation ist dann etwas mehr los. In der Bahn finde ich ausschliesslich nüchterne Menschen auf dem Weg zur Arbeit vor, die Saufnasen sind offensichtlich schon alle zuhause.

Der Weg nach St. Petersburg ist dann schnell und schmerzfrei, der Flug ist mit einer guten Stunde der kürzeste meiner Reise und ich finde mich gut zurecht. Eine halbe Stunde Busfahrt und 8 Metrostationen später stehe ich vor meinem Hostel, welches, man glaubt es nicht, ein Schild am Eingang hat. Nach Einchecken und einer Dusche mache ich mich gleich auf den Weg, heute scheint noch die Sonne, was sich ab morgen ändern soll, das will ich ausnutzen.

Ich gehe vom Hostel aus den Nevski-Prospekt entlang Richtung Newa und bin sofort begeistert. St. Petersburg wird oft als die schönste Stadt der Welt bezeichnet, zumindest ist es eine der schönsten Städte, die ich bisher gesehen habe und übertrifft Moskau locker. Ich überlege, wie man den Eindruck der Stadt beschreiben könnte und komme zu der Definition, dass St. Petersburg so aussieht, wie sich jemand Paris vorstellt, der noch nie dort war. Ein Gebäude entlang des Nevski Prospekt ist schöner als das andere, in der Ferne sehe ich den spitzen goldenen Turm der Admiralität.

Meine Runde führt mich dann zum Palastplatz mit den Gebäuden der Eremitage, von dort aus überquere ich zuerst einen Arm der Newa, an der Universität vorbei und dann den anderen Arm zur Peter-und-Paul-Festung. Danach bin ich erstmal bedient, ich fahre mit der Metro zurück, besorge mir in einem Supermarkt Abendessen und verdaue das Gesehene. Ich merke, dass so langsam die Luft raus ist, ich kann nicht mehr allzuviel aufnehmen, was ich extrem schade finde, denn hier gibt es so unglaublich viel zu sehen. Ich beschliesse zum einen, morgen einen Ausruhetag einzulegen, da montags sowieso alle Museen geschlossen haben und zum anderen, mich nicht zu stressen und einfach nochmal wiederzukommen.

Moskau 4

Heute, an meinem letzten Tag in Moskau, ist nationaler Feiertag. Man feiert den 70ten Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, schon seit meiner Ankunft vor vier Tagen ist man überall damit beschäftigt, Bühnen aufzubauen und die Feierlichkeiten vorzubereiten. Das ist ein große Sache für die Moskauer, viele Leute, jung und alt, laufen mit Baretten auf dem Kopf rum, fast jeder hat zumindest einen kleinen Anstecker oder eine Schleife an der Kleidung.

Die Senioren haben sich besonders herausgeputzt, ich sehe viele Veteranen in ordenbehängten Uniformen, viele Omas haben Plakate mit Fotos ihrer im Krieg gefallenen Angehörigen dabei. Die Stimmung ist aber eher Volksfest als Trauer um die Gefallenen, schon früh am Morgen ist auf dem Arbat die Hölle los. Um dem Trubel zu entkommen, fahre ich heute zuerst in den Kolomenskoje-Park. Das ist eine alte Zarenresidenz, heute ein weitläufiger Park, auf dem diverse Kirchen und andere historische Gebäude stehen. Unter anderem ein Holzhaus, in dem Peter der Große ein paar Wochen lang in Archangelsk den Bau seiner Flotte beaufsichtigt hat. Das komplette Haus wurde in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts abgebaut und nach Moskau transportiert.

Noch opulenter ist der Holzpalast des Zaren Aleksej Michajlovich, der erst vor einigen Jahren wieder neu aufgebaut wurde, nachdem Katharina die Große das Original im Jahre 1768 abreissen lies, weil das Holz morsch war. Allerdings lies sie den Palast vorher noch vermessen, weil sie vorhatte, das Ding als Modell wieder errichten zu lassen. Was nicht passiert ist, aber anhand der damals erhobenen Daten konnte der Palast jetzt rekonstruiert werden. Auf eine Besichtigung verzichte ich, die Schlange ist mir zu lang.

Auf dem Rückweg beschliesse ich spontan, in den Zoo zu gehen. Da an den Kassen keinerlei Schlangen sind, gehe ich davon aus, dass wenig los ist. Ein Fehler, die sind nämlich alle schon da. Das Gelände ist dermassen voll, dass ich nach einer halben Stunde wieder verschwinde und die 500 Rubel als Verlust abschreibe.

Mittlerweile ist es früher Abend, ich fahre Richtung Hostel, setze mich in ein Cafe am Arbat und schaue dem Treiben zu, irgendwann wechsele ich ins Hardrock Cafe, welches direkt gegenüber vom Hostel liegt und esse einen mörderischen Burger.  Das wars dann auch schon fast für heute, ich spaziere noch einmal Richtung Roter Platz, gebe aber auf halbem Weg auf, da das Gedränge immer schlimmer wird. Ich muss morgen um 5:30h aufstehen, da mein Flug nach St. Petersburg um 8:30h startet und ich eine knappe Stunde bis zum Flughafen brauche, befürchte aber, dass es nichts wird mit der Nachtruhe: Das Hostel ist bis auf den letzten Platz voll und alle sind am Feiern.

So kommt es dann auch, die komplette Nacht hindurch herrscht ständiges Kommen und Gehen, dann kotzt jemand, dann streitet sich ein Pärchen, dann meint jemand, dass er um 2h noch duschen muss, usw. usw. Ich nehme es leicht, schliesslich war das zu erwarten und wenn ich rummeckere gibts höchstens was auf die Schnauze für mich, also mache ich das Beste aus der Situation: Ich besorge mir einen Biervorrat und verbringe die Nacht mit Trinken und Russland-Dokus auf Youtube-Schauen.

Moskau 3

Es ist immer noch das beste Wetter was ich mir wünschen kann, deswegen fahre ich heute früh erstmal in den Botanischen Garten, lege mich auf eine Wiese, lese, lasse mir die Sonne auf den Pelz scheinen und höre dem Froschkonzert im angrenzenden Teich zu.

Später fahre ich eine Station zurück zur sogenannten ‘Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft’. Das ist ein riesiges Gelände mit verschiedenen Gebäuden, Pavillons genannt, in denen zu Sowjet-Zeiten die technischen, landwirtschaftlichen und künstlerischen Errungenschaften des Kommunismus präsentiert wurden. Heute ist das ganze ein Messegelände und gleichzeitig ein Freizeitpark für die Moskauer. In den Pavillons befinden sich Ausstellungen und Restaurants, es gibt zwei große Springbrunnen, Fressbuden und einiges mehr.

Auf dem Gelände steht neben einer Wostok-Rakete die Raumfähre Buran. Von diesem Russischen Pendant des Space Shuttles existieren zwei Exemplare, eines davon war ein einziges Mal für einen unbemannten Testflug im All, bevor Russland das extrem kostspielige Projekt 1993 eingestellt hat. Ich vermute, dass es sich hier um keines der Originale handelt, ist trotzdem beeindruckend und ganz schön groß das Ding. Betreten darf man die Raumfähre leider nicht.

Nach mehreren Stunden habe ich genug und mache für heute Schluss. Im Hostel ist ausnahmsweise Ruhe und ich schlafe gut und lange. Das letzte Mal für Moskau, aber das weiss ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Moskau 2

Heute vormittag steht eine Aktion an, auf die ich mich besonders freue, der Besuch des Kosmonautenmuseums. Das Museum ist im Sockel einer riesigen Skulptur untergebracht, die eine Rakete auf dem Weg ins All darstellt. Dazu stehen in einem zugehörigen Park Denkmäler für alle möglichen Russen, die sich im Weltraumprogramm ausgezeichnet haben. Das Museum selbst ist großartig, leider gibt es sehr wenige Erklärungen auf Englisch. Ich sehe Nachbauten des Sputnik, verschiedener anderer Satelliten, des Lunochod, das Basismodul der Mir ist in Originalgröße nachgebildet und darf betreten werden und unzählige weitere Ausstellungsstücke. Ich bin in meinem Element und merke erst als ich wieder rauskomme, dass ich mehr als drei Stunden in dem Museum verbracht habe.

Nach der obligatorischen Siesta im Hostel, diesmal ohne Nebengeräusche, starte ich am Nachmittag zum nächsten Programmpunkt, dem Siegesmonument mit dem zugehörigen Museum des Großen Vaterländischen Krieges. Wie alles in der Stadt ist auch diese Anlage monumental. Die Ausstellung ist sehr ausführlich und interessant, leider ist auch hier wieder fast alles nur auf russisch beschriftet. Passend zum Thema gibt es im Keller einen großen Laden, in dem die patriotischen Eltern für ihre Kinder alle möglichen Spielzeugwaffen kaufen können.

Ich habe noch Zeit und deswegen fahre ich nochmal Richtung Roter Platz, um das Kaufhaus GUM zu besuchen. Zu Sowjet-Zeiten war das ein großes Kaufhaus, in dem sich die besssergestellten Moskowiter mit Lebensmittel versorgen konnten, heute ist es eine Art russisches KaDeWe, allerdings geschätzt 10mal so groß wie das berliner Pendant. Auf drei Etagen und in drei langen Gängen findet sich hier alles was international einen Namen hat. Eine unglaubliche Zurschaustellung von Reichtum, das Publikum ist genauso wie man es erwartet: dicke, sonnenbebrillte ‘Bisnesmen’ in Designeranzügen mit den zugehörigen Blondinen mit aufgespritzten Lippen und Titten. Ekelhaft. Als ich es wage, mit meinen Touri-Klamotten einen Feinkostladen zu betreten, werde ich vom Personal angewidert betrachtet und nicht aus den Augen gelassen, als könnte ich ein paar Austern klauen.

Zurück im Hostel beschliesse ich, mir heute was zu gönnen. Ich habe mir diesmal ein paar Klamotten mitgebracht, die mich nicht auf den ersten Blick als Touri zu erkennen geben. Ich werfe mich also in Schale und besuche eines der exklusiven Restaurants auf dem Arbat, wo ich interessanterweise für ein 0,3er Bier fast genausoviel bezahle, wie für meine Hauptspeise. Ich entscheide mich für Schweinelende mit verschiedenen Gemüsen und jungen Kartoffeln in Chilisauce. Die Portion ist, dem Status des Restaurants entsprechend, sehr übersichtlich, es schmeckt aber ausgezeichnet und ich habe meinen persönlichen Ober, der mir extra einen Hocker hinstellt, damit ich meine Tasche nicht auf den Boden stellen muss. Über den Preis schweige ich, wobei es tatsächlich nicht ganz so teuer wird wie ich erwartet hatte.

Moskau 1

In der Nacht bleibe ich von weiteren Ruhestörungen verschont, gegen 8h stehe ich auf und mache mich auf den Weg zum Roten Platz. Der ist allerdings komplett abgesperrt, denn am Samstag feiert man den 70ten Jahrestag der Befreiung vom Faschismus und es ist eine große Parade geplant. Diese zu besuchen ist nicht möglich, da nur geladene Gäste aus internationaler Politik sowie Militär und Veteranen teilnehmen dürfen. Angeblich hat man sogar den kleinen Dicken aus Nordkorea eingeladen, der hat aber abgesagt. Vielleicht leidet er ja auch an Flugangst wie sein Opa.

Ich laufe einmal um den Kreml und komme genau rechtzeitig zur Öffnung der Kassen am Eingang an. Da ich so einer der ersten bin, die reinkommen, kann ich noch ein paar schöne Fotos schiessen, bevor alles voller Touristen ist. Ich besuche dann die sog. Rüstkammer, die allerdings weniger Waffen enthält, dafür die größte, unverschämteste und abartigste Sammlung von Gold , Silber und Juwelen ist, die ich jemals gesehen habe. Man spürt förmlich, wie die Zaren, der Adel und die Pfaffen das Volk bis aufs Blut ausgesaugt haben müssen, um diesen unglaublich schönen und gleichzeitig widerlichen Reichtum zu schaffen.

Danach laufe ich rum, schaue mir die verschiedenen Kirchen an, sehe die Zarenkanone, aus der genau einmal geschossen wurde und die Zarenglocke, 200 Tonnen schwer, die nicht ein einziges Mal geläutet hat. Der komplette Kreml mit den Gebäuden und Kirchen ist unglaublich schön, so wie eigentlich die gesamte Innenstadt, Moskau ist eine der schönsten Städte, die ich bisher besucht habe. Das großartige Wetter trägt dazu bei, für meinen kompletten Aufenthalt ist ausschliesslich Sonnenschein gemeldet.

Nach mehreren Stunden Kreml bin ich erstmal bedient und mache Station im Hostel, was ich die weiteren Tage beibehalten werde. Ich bin ein alter Mann. Am Nachmittag fahre ich dann zum Gorki Park und laufe erstmal in den Norden, wo ich einen Skulpturenpark finde, ausserdem das monströse Denkmal für Peter den Großen. Danach laufe ich Richtung Süden einmal durch den gesamten Park, der, wie alles was ich bisher gesehen habe, extrem sauber ist. Auch hier sind wieder Bereiche abgesperrt in Vorbereitung auf die große Siegesfeier am Samstag. Die komplette Stadt ist im Hinblick auf den Tag beflaggt, überall verkaufen Strassenhändler Fahnen, T-Shirts, Militärmützen usw. Man gibt sich sowieso sehr patriotisch, ich weiss halt nicht, ob das nur wegen des Jahrestages so ist, oder der Normalzustand. Sollte mich jedenfalls am Samstag jemand fragen, bin ich Schweizer. Überall findet man auch Stände von Putins Partei, wo man T-Shirts kaufen kann, die den modernen Zaren in allerlei martialischen Posen zeigen, das ist traurig und lustig zugleich.

Ich versuche auf meinen Reisen ja immer, mich selbst zu versorgen, hier ist das schwierig, da zum einen das Hostel keine Küche besitzt und es ausserdem nirgendwo sowas wie einen Supermarkt gibt, lediglich an einigen kleinen Kiosken kann man Lebensmittel kaufen. Heute abend bin ich faul und da es hier am Arbat nur sauteure Restaurants gibt, lande ich schliesslich bei Mc Donalds. Zurück ins Hostel. Musste ich letzte Nacht noch das permanente Kichern einer Gruppe Teenager unterbinden, darf ich heute meinen Nachbarn bei der Paarung zuhören. Bei allem Respekt vor der Ausdauer des Typen, irgendwann reicht es mir und ich brülle rüber, dass sie jetzt entweder aufhören, oder mich mitmachen lassen. Danach ist Ruhe.

Kiew – Moskau

Die Fahrt zum Flughafen ist die mit Abstand billigste und unterhaltsamste die ich je hatte, ich fahre für umgerechnet 50 Cent mit dem Trolleybus Nr. 22 bis zur Endstation. Der Bus ist voll wie eine Honkonger U-Bahn zur Rush Hour, eine kleine dicke Frau quetscht sich durch die Passagiere um die neu zugestiegenen Fahrgäste abzukassieren. Der Fahrer heizt wie blöde, irgendwann kotzt ein Kleinkind einige Leute voll, an einer Haltestelle drängt sich eine ältere Frau nach draußen und schmeisst dabei eine andere ältere Frau aus dem Bus. Die beiden fangen daraufhin eine Schlägerei an und werden von Fahrgästen getrennt. Großes Kino.

Am Flughafen treffe ich Henry, der den gleichen Flug wie ich hat und von Moskau aus zurück nach Hongkong fliegt. Da ich noch 150,- Griwna im Wert von ca. 6,-€ übrig habe und nicht weiss wohin damit, lade ich ihn zum Frühstück ein. Sergei hatte mir erzählt, dass die ukrainische Währung noch vor einem knappen Jahr einen Kurs von 1:4 zum US-Dollar hatte und dann wegen des Krim-Konfliktes innerhalb von 9 Monaten auf 1:25 gefallen ist. Putin wirds freuen.

Der Flug ist mit 1,5 Stunden schnell erledigt und auch die Einreise geht schnell. Ich habe schon wieder Glück mit dem Wetter, denn gerade als wir in Kiew gestartet sind, fing es an zu regnen, als wir in Moskau landen scheinen 1000 Sonnen vom Himmel.

Der Weg zum Hostel ist einfach: ich steige in den Airport-Express-Zug, der mich zur Metrostation Paveletskaya bringt, zweimal umsteigen und ich bin an der Station Smolenskaya, die direkt am Arbat liegt, wo mein Hostel ist. Das zu finden ist dann weniger einfach, wie in Kiew gibt es keinerlei Schilder oder sonstige Hinweise an dem Haus. Nachdem ich ein paarmal um den Block und durch sämtliche Hinterhöfe gelaufen bin, erfahre ich von einer älteren Dame, wo ich klingeln muss und kann dann einchecken. Das Zimmer ist winzig und enthält lediglich einen kleinen Tisch, zwei Klappstühle und ein Hochbett. Das wusste ich aber vorher schon und die zentrale Lage gleicht den Mangel an Komfort aus.

Ich mache heute nur noch einen Spaziergang den Arbat entlang bis zur Kreml-Mauer und zurück, dann esse ich in einem kleinen Restaurant lecker Pelmeni und trinke ein paar russische Biere. Die sind auch nötig um schlafen zu können, ich stelle nämlich fest, dass die Wände im Hostel extrem hellhörig sind und ich muss gegen Mitternacht an die Wand hämmern, um die Gäste im Nachbarzimmer zur Ruhe zu bringen.

Kiew

Nach drei Tagen mit verfallenen Gebäuden und Raketen freue ich mich, mir heute mal zur Abwechslung ein paar schöne Dinge anzuschauen. Durch die nicht eingeplante Tour gestern bleibt mir nur ein einziger Tag in Kiew zum Sightseeing, dazu bin ich erkältet und generell ziemlich platt, vielleicht schon erste Anzeichen der Strahlenkrankheit. Oder es liegt daran, dass ich wegen der dämlichen ukrainischen Moskitos die halbe Nacht nicht geschlafen hab. Ich raffe mich trotzdem um 8:30h auf, steige in die U-Bahn und fahre Richtung Majdan-Platz. Die Metro in Kiew liegt sowjet-Style extrem tief, so dass man jedesmal eine gefühlte Ewigkeit mit der Rolltreppe nach unten oder oben fahren muss. Ich beschliesse, kurze Strecken zu Fuß zu gehen.

Erstes Ziel ist wie gesagt der Majdan, bekannt seit der sog. Orangen Revolution im Jahre 2004. Das Wetter ist extrem schön, erinnert mich allerdings an Neuseeland, in der Art, dass einem die Sonne die Haut wegbrennt, aber sobald sich nur ein klitzekleines Wölkchen davor schiebt, man am liebsten Schal und Handschuhe tragen würde. Ich bin also den halben Tag damit beschäftigt, mich an- und auszuziehen.

Irgendwann fällt mir auf, dass heute Montag ist, was bedeutet, dass sämtliche Museen geschlossen sind. Das verkürzt meine Liste extrem, weswegen ich erstmal in einem Cafe einen Frühschoppen einnehme und danach zwei Gänge zurückschalte. Nächstes Ziel ist die Statue der Mutter Heimat, in deren Sockel sich eine Ausstellung zum großen Vaterländischen Krieg befindet. Das gilt offensichtlich nicht als Museum und ist geöffnet. Der Weg dahin ist beschwerlich, ich hatte mir auf Google Maps eine tolle Strecke entlang des Flusses Dnepr rausgesucht, komme aber nicht auf die richtige Seite, so dass ich geschätzt 3 km entlang einer Autobahn marschiere.

Die Statue ist beeindruckend, die Ausstellung ziemlich gut, leider nur auf Ukrainisch beschriftet. Dafür ist der Rückweg angenehmer, er führt mich durch einen großen Park, an mehreren ausgestellten Panzern und einem Volksfest vorbei. Ich besuche das Höhlenkloster, was allerdings nicht wirklich beeindruckt. Es gibt ein Labyrinth aus dunklen Gängen und verschiedenen Kammern, in denen die Mumien irgendwelcher Heiliger aufgebart sind, die von den Gläubigen geküsst werden. Die Gebäude selbst sind natürlich prunkvoll, es ist halt wie überall auf der Welt: Egal ob das Volk verhungert, für die Pfaffen und ihre Paläste ist immer genug Geld übrig. Immerhin: bei den Orthodoxen ist es offensichtlich üblich, dass sich die Popen weder rasieren, noch die Haare schneiden, so dass die alle aussehen, als würden sie in einer Viking-Metal Band spielen. Rock’n’Roll.

Mittlerweile ist es Nachmittag und ich bin so platt, dass ich zurück zum Hostel marschiere, ins Bett falle und sofort einschlafe. Ich wache gegen Abend auf und beschliesse, im Hostel zu bleiben und mich auszuruhen, damit ich morgen für Moskau fit bin.