Sapporo

Ich habe gestern vergessen, die Vorhänge zuzuziehen und so werde ich heute früh von der Sonne geweckt, die mir genau ins Gesicht scheint, sehr angenehm. Ich stelle fest, dass es gerade mal 6:45h ist. Trotzdem bin ich wach, also mache ich mich langsam fertig, frühstücke (wesentlich besser als gestern) und laufe los. Die Innenstadt von Sapporo ist, ähnlich wie Kyoto, schachbrettartig angelegt, wobei der Odori-Park die horizontale und der Sōsei-Gawa, ein Kanal, die vertikale Achse bildet, mit dem Fernsehturm im Brennpunkt. Die Straßen sind interessanterweise nach Nummern, bezogen auf dieses Koordinatensystem benannt, d.h. eine Adresse wäre z.B. Nord 2 West 3. Dadurch ist es auch für Orientierungs-Legastheniker wie mich unmöglich, sich zu verlaufen.

Mein erstes Ziel ist der Botanische Garten der Universität, der ganz nett, aber keine besondere Attraktion ist. Interessant ist ein kleines Museum auf dem Gelände, welches sich mit der Geschichte der Ainu, einem nordjapanischen Urvolk, beschäftigt. Die Ainu wurden von den Japanern in der gleichen Weise behandelt, wie alle Nationen im letzten Jahrhundert mit ihren „Eingeborenen“ umgingen, d.h. sie wurden in jeder Hinsicht ihrer Identität beraubt. Erst 2008 (!) erhielten die Ainu von der japanischen Regierung den offiziellen Status eines indigenen Volkes. Wie üblich gibt es im Museum wieder mal keinerlei Erläuterungen in Englisch, also schaue ich mir halt die Alltags- und Kultgegenstände an und verschwinde dann wieder.

Ein kleiner Zwischenstop am Bahnhof um meine Weiterreise zu reservieren, dann komme ich am berühmten Clock Tower vorbei und verstehe nicht, was daran so toll sein soll, dass sich alle davor fotografieren müssen. Später lerne ich, dass das Gebäude Platz 3 auf der Liste der „most disappointing tourist attractions“ in Japan belegt. Weiter gehts zum Sapporo Biermuseum. Diesmal werde ich nicht enttäuscht wie bei der Yebisu-Brauerei. Ich habe keine Tour gebucht, da die nur auf japanisch abgehalten wird, man kann aber auf eigene Faust durch die Brauerei laufen, wo es (auch englische) Infos zur Geschichte des Unternehmens und zur Entwicklung der verschiedenen Biersorten gibt. Lustig auch die Werbeplakate von 1900 bis heute. Die Brauerei wurde im Jahre 1876 von Seibei Nakagawa gegründet, nachdem er in Deutschland Bier und Bierkultur kennengelernt und dann in einer Berliner Brauerei das Handwerk gelernt hatte. Im Erdgeschoss gibt es natürlich einen Ausschank, ich gönne ich mir eine kleine Auswahl und habe gegen 12h einen sitzen, schliesslich bin ich im Urlaub. Zurück ins Hotel, Siesta. Ich denke mir dass es jetzt auch nicht mehr drauf ankommt und trinke noch zwei Bier, wobei ich jetzt schon weiss, das das keine gute Idee ist.

Ich schlafe ein paar Stunden und bin danach auch wieder nüchtern, aber natürlich bin ich jetzt zu müde und zu verpeilt, um noch irgendwas auf die Reihe zu kriegen. Ich laufe los mit dem Ziel, irgendwo was essen zu gehen und merke, nachdem ich eine gute Stunde in der Gegend rumspaziert bin, dass ich meinen Geldbeutel im Hotel gelassen habe. Ich muss trotz allem lachen und kapituliere, gehe zurück ins Hotel, trinke noch mehr Bier und nehme mir vor, morgen einen alkoholfreien Tag einzulegen.

Kakunodate – Sapporo

Heute früh regnet es, das dritte Mal in fast drei Wochen, das ist ein ziemlich guter Schnitt. Damit mir nicht das selbe wie gestern passiert, marschiere ich zuerst zum Bahnhof und reserviere mir Sitzplätze für meine Fahrt nach Sapporo. Die wird ziemlich lange, ich werde bis 16h unterwegs sein. Die Reservierungen sind schnell erledigt, dann zurück ins Hotel. Das Frühstück ist furchtbar, mit einer Ausnahme, ich traue meinen Augen nicht, als ich einen Korb voller frischer Laugenbrötchen sehe. Ich esse vier.

Ich muss heute zweimal umsteigen, zuerst in einem Kaff namens Morioka, von dort gehts dann immer nach Norden und schliesslich durch den mehr als 50km langen Seikan-Tunnel, einem der längsten der Welt, nach Hokkaido. Dort muss ich in Hakodate in einen Bummelzug umsteigen, leider ist Sapporo noch nicht an das Shinkansen-Netz angeschlossen. Diese letzte Etappe dauert nochmal gut vier Stunden. Irgendwann, noch auf der zweiten Etappe, fahren wir bei grauem Himmel und Regen in einen etwas längeren Tunnel und kommen bei blauem Himmel und Sonnenschein auf der anderen Seite wieder raus. Großartig. Auf Hokkaido ist das Wetter dann allerdings wieder schlechter. Die letzte Strecke nach Sapporo zieht sich. Die Gegend vor dem Fenster ist zwar schön anzusehen, aber wenig abwechslungsreich, da die Schienen über eine längere Strecke entlang der Küste führen und ich so nur das Meer sehe.

Endlich landen wir in Sapporo, ich muss drei Stationen U-Bahn fahren, dann bin ich im Hotel. Der Rest des Tages geht drauf mit Wäsche waschen, Bilder sortieren, Blog-Schreiben und Überlegen, was ich mit den restlichen drei noch nicht verplanten Tagen anfange, erschwert durch das grausam langsame WLan. Als alles erledigt ist, kann ich mich nicht mehr aufraffen und bleibe im Hotel. Morgen werde ich dann früh fit sein und habe den Tag für Sapporo

Kakunodate / Lake Tazawa

Heute schaffe ich es fehlerfrei bis nach Tokio, dort stelle ich fest, dass der Zug in den Norden nur reservierungspflichtige Plätze enthält. Ich muss mir also noch eine Reservierung besorgen, was für Railpass-Inhaber kostenlos ist, ich aber bisher nie gemacht hatte. Dadurch verpasse ich den Zug, bekomme aber noch einen Platz im nächsten, der genau eine Stunde später fährt. Ich fahre nicht bis Kakunodate, sondern steige ein Station früher in Tazawako aus, von dort fahren nämlich die Busse zum See. Der Zug ist etwas neuer noch komfortabler als alle vorher, die Sitze sind bequemer und alles sieht etwas luxuriöser aus, Bahnfahren macht wirklich Spass hier.

Kurz nach 14h komme ich an und sitze dann eine halbe Stunde später im Bus, der mich zum Seeufer bringt. Ich miete mir bei einer lustigen alten Dame ein Fahrrad und beschliesse, einmal rund um den See zu fahren, das tut mir nach der gestrigen Bierprobe (der noch ein paar mehr Bier im Hotel folgten) gut. Es sind etwa 20km, eigentlich eine Spazierfahrt, aber mit diesem Rad bin ich nicht besonders schnell. Dazu kommt, dass ich zurück sein muss bevor es dunkel wird, weil das Licht nicht funktioniert. Ich brauche inklusive Fotopausen zwei Stunden, dann verschwindet auch die Sonne. Als letzter Besucher sitze ich dann einsam an der Haltestelle und hoffe, dass der Bus auch kommt. Doch ich bin in Japan, also kommt der Bus natürlich und dazu auf die Minute pünktlich. Zurück in Tazawako muss ich noch eine gute halbe Stunde auf meinen Zug warten, bis ich dann endlich am Hotel bin und einchecken kann ist es fast 19h und ich habe mächtig Hunger, weil ich seit dem Frühstück im Zug nichts mehr gegessen habe.

In dem laut Wikipedia immerhin 40.000 Einwohner starken Ort herrscht allerdings Totentanz. Ich finde keine Bar, kein Restaurant, nichts. Nachdem ich gefühlt eine Stunde lang durch ausgestorbene Straßen gelaufen bin, finde ich wenigstens einen Supermarkt, der geöffnet ist. Ich kaufe einen Berg Essen, den ich im Hotel in Rekordzeit vernichte und falle danach mehr oder weniger bewegungslos ins Bett.

Nagoya

als um 6:30h der Wecker klingelt, sehe ich draußen blauen Himmel, das weckt mich trotz wenig Schlaf auf. Ich mache mich in Rekordzeit fertig und schaffe es so, noch das Frühstück im Hotel mitzunehmen und trotzdem Punkt 7:56h in den Shinkansen nach Shin-Kobe zu fallen. Die Fahrt nach Nagoya dauert mit einmal umsteigen knapp 5 Stunden, ich habe also eine Menge Zeit, mir zu überlegen, wo ich noch hin will. Ich bin ein wenig unschlüssig, denn ich habe morgen nochmal knapp 6 Stunden Zugfahrt bis Kakunodate vor mir und von dort aus wäre es nochmal so lange bis Sapporo, was bedeuten würde, dass ich dann zurück nach Tokio gut 8 Stunden brauchen würde. So angenehm das Fahren in den Shinkansen ist, ich möchte natürlich lieber was sehen als so lange im Zug zu sitzen und dummerweise fahren die Dinger nicht über Nacht. Andererseits, genau dafür habe ich den Railpass ja gekauft und ich möchte Sapporo gerne sehen (nicht nur wegen der gleichnamigen Brauerei), also werde ich die Entscheidung davon abhängig machen, ob ich dort ein schönes und günstiges Hotel finde.

Nagoya ist nichts Besonderes und hat keine besonderen Sehenswürdigkeiten zu bieten, ich habe die Stadt nur deswegen gewählt, weil sie (die Fahrzeit betrachtet) die Strecke nach Kakunodate halbiert und auf einem Drittel der Strecke nach Sapporo liegt. Aber es gefällt mir hier. Ich bringe schnell mein Zeug ins Hotel und marschiere los, nach dem Gammeltag gestern ist mir heute nach laufen. Ich gehe mehr oder weniger die Strecke zurück zum Bahnhof, die ich auf dem Weg zum Hotel mit der Bahn zurückgelegt habe. Unterwegs sehe ich jede Menge lustiger Dinge: zuerst stolpere ich bei dem Fernsehturm in eine Art Volksfest, es stehen überall Fressbuden rum, es gibt einen Flohmarkt und auf einer Bühne spielt eine Band. Ich kaufe mir an einem Stand was zu essen, ich weiss nicht was es ist, aber es sieht lecker aus und entpuppt sich als eine Art herzhafter Pfannkuchen, gefüllt mit Nudeln, Kohl und irgendwelchem Fleisch, oben liegt ein Spiegelei drauf. Ich finde später raus, dass sich das Ding Okonomiyaki nennt. Geschmeckt hat es jedenfalls.

Direkt neben dem Fernsehturm befindet sich der Busbahnhof ‚Oasis 21‚, ein futuristisches Gebäude, das aussieht wie ein Ufo, das oberste Deck des Ufos ist begehbar und durch das Wasser des Springbrunnens in der Mitte kann man geschätzt 30 Meter nach unten blicken, sehr schön. Ich gehe weiter und lande mitten in einem Umzug. Ich habe keine Ahnung um was es geht, aber es ist voll, laut, bunt und lustig. In etwa wie ein japanischer Karneval der Kulturen. Auf Mickey Mouse folgen Samurais, gefolgt von musizierenden Geishas und jede Menge sonstiger Folklore bzw. Kitsch. Irgendwann bin ich wieder am Bahnhof und fahre zurück zum Hotel, wo ich mittlerweile einchecken kann. Dieses Hotel ist verhältnismässig teuer und eine Klasse besser als meine sonstigen Absteigen, war trotzdem das günstigste was ich gefunden hatte. Personal und Gäste mustern mich. Ich mache kurz Siesta und buche schliesslich für zwei Nächte ein Hotel in Sapporo.

Am Abend fahre ich nochmal los und lande in einem Laden namens 7 Days Brew, eine ziemliche Hipster-Angelegenheit, aber die haben jede Menge internationaler Biere vom Fass, alles irgendwelche Microbreweries, das ist ja mittlerweile eine ausgewachsene Szene. Ausgewachsen sind auch die Preise, aber dafür bekomme ich auch Qualität. Ich fange an mit einem ‚Bikini Blonde Lager‘ aus Hawaii, danach merke ich, dass man auch eine Auswahl bestellen kann und ich bekomme einen kleinen Block aus Holz mit einer Auswahl von 5 Bieren in schönen Testgläsern. Das erste ist das bereits bekannte Bikini Lager, dann gibts noch Blood Orange Gose, das auch nach Orangen schmeckt,  Baby Daddy Session, ein IPA aus Kalifornien, ein Porter, ebenfalls aus Kalifornien und zuletzt ein Pineapple Ale aus der Schweiz, welches nach dem Porter leider ziemlich lasch schmeckt. Dazu bestelle ich Jerk Chicken und danach reicht es mir. Ein schöner Tag!

Kagoshima 2

der Tag fängt etwas schleppend an, nach dem Frühstück im Hotel brauche ich eine ganze Stunde bis ich den Fahrradverleih finde, weil der Laden ganz woanders ist als im Netz angekündigt. Der Trip zum Vulkan ist dann eine ziemliche Enttäuschung: es fängt damit an, dass ich mein Rad nicht mit auf die Fähre nehmen darf, was meinen Aktionsradius einschränkt. Das Wetter ist schlecht und der Vulkan seit Tagen sehr ruhig, wie ich erfahre, also ist noch nichtmal eine kleine Rauchfahne zu sehen. Was bleibt ist ein kurzer Spaziergang zu einem Aussichtspunkt, von wo aus man den Vulkan mehr schlecht als recht sieht und ein paar schäbige Plastikdinosaurier, die auf einem Spielplatz rumstehen.

Ich fahre dann noch eine Weile mit dem Rad durch die Stadt, als es anfängt zu regnen, breche ich ab und verbringe den Rest des Tages mit Bier, ungesundem Essen und der sechsten Staffel von The Walking Dead im Hotel. Morgen scheint wieder die Sonne.

Kagoshima 1

Heute muss ich zuerst mit dem Bummelzug wieder ein Stück in den Norden fahren, wo ich in Tosu in den Shinkansen nach Kagoshima umsteige. Kagoshima, ‚Japans freundlichste Stadt‘ ist Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur, die früher ‚Satsuma‘ genannt wurde und die Mitte des 19. Jahrhunderts separatistische Gedanken hegte, war man doch seit der Öffnung des Landes wegen der geographischen Nähe zu China eine hohe wirtschaftliche Macht.
Heute ist die Hauptattraktion der Stadt der Vulkan Sakurajima, der so aktiv ist, dass die Wettervorhersage der Region auch eine sogenante ‚Ascheprognose‘ beinhaltet, aber abgesehen davon gibt es einige Museen zur Samuraizeit, ein Meeresaquarium und angeblich sehr gutes Essen, ich bleibe zwei Tage hier.

Ich erreiche die Stadt gegen Mittag, fahre mit der Tram zum Hotel, checke ein und spaziere zum Hafen. Ich will die Fähre zur Vulkan-Halbinsel finden, lande aber zuerst im Aquarium, welches das mit Abstand beste ist, was ich je besucht habe. Tatsächlich ist das alles so gut, d.h. die Tiere sehen so bunt und so gesund aus, dass ich mich frage, ob da nicht ein paar Atrappen dabei sind. Kagoshimas geographische Lage zwischen dem Pazifik und dem Ostchinesischen Meer, kombiniert mit dem aktiven Vulkan vor der Haustür, sorgt für eine gigantische Artenvielfalt, die hier auf vier Etagen dargestellt ist. Vom Walhai über alle Arten tropischer Fische, bis hin zu Röhrenwürmer an einer simulierten geothermalen Quelle ist alles vorhanden. Die Becken sind groß, Fische, Korallen und anderes Getier sieht alles gesund aus, ich bin jedenfalls begeistert, leider macht zwischendurch der Akku meiner Kamera schlapp. Eine weitere Erkenntnis aus dem Besuch: auch in Japan gibt es Arschlochkinder, die sich nicht benehmen können und die dazugehörigen Arschlocheltern, denen das egal ist.

Ich gehe zurück ins Hotel, wo mittlerweile mein Zimmer bezugsfertig ist. Das ist bisher die beste Unterkunft, ich lege mich erstmal zwei Stunden ins Bett, schlafe aber nicht, sondern schaue mir via Youtube ein paar Dokus über Samurais an. Später suche ich ein kleines Restaurant, eine Empfehlung des Lonely Planet, lande aber irgendwie nicht dort, sondern in einem (glaube ich) koreanischen Laden. Ich habe eine kleine Fernbedienung mit einem Knopf auf dem Tisch, mit der ich die Bedienung rufen kann, sehr effektiv. Als Appetizer bekomme ich eine Schale mit rohem Kohl und Gurken mit einem sehr leckeren Miso-Dip, Hauptgang sind gebratene Soba-Nudeln mit allerlei Zeugs drin, darüber ein Rührei, ganz oben Bonito-Flocken, die vom aufsteigenden heißen Dampf tanzen. Sehr schön.

Ich kippe noch ein paar Bier, dann gehe ich zurück, ich will morgen früh aufstehen und mir wieder ein Fahrrad für den Tag mieten, damit kann ich nämlich die Vulkan-Halbinsel besser erkunden. Das Wetter soll nicht so toll sein, aber immerhin trocken.

Nagasaki 3

Nach kurzer Siesta gehe ich wieder Richtung Hafen, biege dann aber ab und schaue mir Glover Garden an. Das ist eine Sammlung von alten Häusern in einem schön angelegten Park. Dabei handelt es sich um ehemalige Domizile europäischer Händler, die Mitte des 19. Jahrhunderts den Handel mit Japan etablierten. Benannt nach Thomas Blake Glover, einem Schotten, der 1859, als Japan seine Häfen für ausländische Händler öffnete, im Alter von 21 Jahren nach Nagasaki kam. Glover wird auch der Vater des japanischen Biers genannt, weil er wohl an der Gründung der Kirin-Brauerei beteiligt war, Grund genug für mich, ihn mit einem Besuch des nach ihm benannten Parks zu ehren.

Besonders interessant ist das allerdings nicht, es sind halt ein paar Häuser mit alten Möbeln und ein paar Teiche und Springbrunnen. Die seltsame Obession der Japaner für westliche Kultur ist kein Geheimnis, so wundert es mich nicht, dass der Park gut besucht ist. Aus Lautsprechern tönt überall eine merkwürdige Musik, es klingt wie eine Mischung aus irischer und deutscher Volksmusik. Der Park liegt allerdings an einem Hang und von oben hat man eine schöne Sicht auf die Stadt und den Hafen.

Zum Hafen gehe ich jetzt wieder, setze mich in eine Bar und trinke ein Kirin auf Mr. Glover. Morgen fahre ich für zwei Tage ganz in den Süden nach Kagoshima, dort gibt es unter anderem einen der aktivsten Vulkane Japans. Danach habe ich noch eine Woche, bevor ich wieder in Tokio sein muss, also nutze ich das freie WLan und überlege. Ich würde gerne ganz in den Norden nach Sapporo, das ist aber extrem weit und ich bin mir nicht sicher ob sich das lohnt. Ich beschliesse, vorerst für eine Nacht nach Nagoya zu fahren und von dort nach Kakunodate. Ich bin erstmal bedient mit Großstädten und der kleine Ort ist bekannt für seine Samuraihäuser, außerdem ist der Tazawa-ko, der tiefste See Japans in der Nähe. Mal etwas Natur halt.

Nagasaki 2

Ich habe gestern tatsächlich nichts mehr unternommen, bin vom Hafen direkt ins Hotel und lag auch um 21h im Bett, weswegen ich heute früh Punkt 6h wach und fit bin. Ich stehe also auf, wasche ein paar Klamotten und frühstücke in Ruhe, dann fahre ich mit der Tram zum Atomic Bomb Museum.

Nagasaki steht ja ein wenig im Schatten von Hiroshima, weil es ’nur‘ die zweite Bombe war und vielleicht auch weil es weniger Opfer gab. Was übrigens nicht an der verwendeten Bombe lag, im Gegenteil, die Plutoniumbombe ‚Fat Man‚ hatte eine um fast ein Drittel höhere Sprengkraft als die Hiroshima-Bombe, allerdings wurde sie a) am Rand des besiedelten Gebietes gezündet, da es am Tag des Abwurfs bewölkt war und der Bombenschütze daher den geplanten Zielpunkt verfehlte und b) bremste das bergige Gelände die Druckwelle.

Das hiesige Museum gefällt mir aber besser als das in Hiroshima, zumal ich sehr früh da bin und noch kaum Besucher dort sind (als ich das Gebäude verlasse, kommen gerade mehrere Schulklassen rein, Glück gehabt). Die Exponate sind logischerweise ähnlich, Überreste der Explosion und Infos zu Entwicklung, Wirkungsweise und den Effekten der Bombe, aber hier ist das alles ein Stück interessanter und besser dargestellt. Es gibt mehrere Räume, in denen Dokumentationen und Interviews mit Zeitzeugen laufen, außerdem Terminals, an denen der Besucher selbst recherchieren kann. Sehr gut gemacht!

Die Memorial Hall ist eine eindrucksvolle Installation aus Beton, Licht, Glas und Wasser und enthält im Zentrum eine Art Schrein mit den Namen sämtlicher bekannter Opfer. Außerdem kann man mittels dreier Monitore und 3d-Brille einen Flug durch ein VR-Modell der zerstörten Stadt machen. Der Hypocenter der Explosion ist mit einem Gedenkstein gekennzeichnet, von dort aus spaziere ich zum Peace Park mit einer riesigen Statue. Überall sind Tafeln mit Infos zu allen möglichen Aspekten der Explosion, vorher – nachher Fotos von betroffenen Stadtvierteln und vieles mehr. Gegen Mittag ist mein Hirn voll und ich fahre zurück ins Hotel. In der Tram sitzt ein Opa neben mir, der während der Fahrt mit seinem Handy Pokemons abschiesst.

Nagasaki 1

Als ich heute morgen aufstehe, tut mir so ziemlich alles weh: die Schulter sowieso, dann Handgelenk links, Ellenbogen, Rippen und Hüfte rechts und Kopf von meinem Abflug gestern, dazu kommen ca. 30 Mückenstiche aus dem Park in Kyoto an den Beinen, die fies jucken. Ich fühl mich wie ein Greis und beschließe, heute Pause zu machen. D.h. ich fahr nach Nagasaki und werde den Rest des Tages dann nichts mehr machen außer essen, trinken, lesen und Netflix schauen. Vorerst schmeisse ich mir eine der krassen Schmerztabletten ein, die mir der Arzt wegen der gebrochenen Schulter verschrieben hat und packe mein Zeug zusammen.

Später, ein wenig breit von dem Medikament, erlebe ich zum ersten Mal in diesem Land, dass sich ein öffentliches Vekehrsmitel verspätet, die Tram zum Bahnhof kommt volle 2 Minuten zu spät. Unter den wartenden Japaner/innen macht sich Empörung breit, alle schauen auf ihre Uhren und schütteln vorwurfsvoll die Köpfe, hoffentlich müssen die nie mit der Berliner S-Bahn fahren. Ich erwische meinen Zug nach Nagasaki trotz der Verspätung und bin einmal mehr von den Shinkansen begeistert: die Beinfreiheit bzw. der Platz der einzelnen Sitze ist mit der ersten Klasse im ICE zu vergleichen, es gibt kleine Raucherkabinen (in denen es nicht nach Rauch stinkt), öffentliche Telefone, Getränkeautomaten, die Toiletten sind, wie alles andere im Zug, extrem sauber und dazu sind die Dinger richtig schnell und dazu pünktlich.

Ich muss einmal umsteigen und fahre die zweite Hälfte der Strecke mit einem ’normalen‘ Zug, der nicht so schnell, aber ähnlich komfortabel ist. Zwischendurch ist die Gegend sehr ländlich, kleine Orte bzw. einzelne Höfe wechseln sich mit bestellten Feldern und Wald ab. Es ist ziemlich hügelig, ich fahre durch unzählige Tunnel und lande schliesslich kurz vor 15h in Nagasaki. Diesmal ist mein Hotel keine 5 Minuten vom Bahnhof entfernt, überhaupt ist Nagasaki die bisher kleinste Stadt, die ich mir anschaue, mit etwas über 300.000 Einwohnern.

Ich checke ein und freue mich, dass ich diesmal ein zwar kleines, aber schönes Zimmer habe, vor allem eins mit einem Fenster. Meinem Plan heute nichts zu tun entsprechend besorge ich mir Bier, spaziere zum Hafen, setze mich ans Wasser und bin mit mir und der Welt im Reinen. Ich mag mein Leben.

Hiroshima 2

Erste Aktion am Morgen ist mein Fahrrad. Man hat hier ein ziemlich gutes System, ähnlich dem der Bahn in Berlin, d.h. ich bekomme eine Chipkarte und kann damit an über der ganzen Stadt verteilten Stationen ein Rad nehmen und irgendwo anders wieder abstellen. Praktisch: hier haben sie E -Bikes, d.h. bergauf radelt man mit Unterstützung. Mit meinem neuen Fahrzeug radele ich zuerst zum Peace Museum.

Leider sind Teile des Museums wegen Renovierungsarbeiten nicht zugänglich und dazu ist der Laden dermaßen überfüllt, dass man sich im Schneckentempo mit der Masse durch das Gebäude schieben lassen muss. Das verleitet mir den Besuch ziemlich, schade, denn die Ausstellung ist gut gemacht und der Audioguide gibt jede Menge zusätzliche Informationen. Am meisten beeindrucken mich die vielen persönlichen Gegenstände von Opfern, die zusammen mit der jeweiligen Geschichte der Personen ausgestellt sind, z.B. eine Taschenuhr, die zum Zeitpunkt der Detonation stehengeblieben ist, die zerbeulte Brotbox eines Schülers, oder etwa Teile von Schuluniformen. Das Thema Kernwaffen interessiert mich ja schon lange, deswegen bekomme ich in dem Museum keine neuen Informationen, die Objekte aber vor den Augen zu haben und teilweise auch berühren zu dürfen ist eine andere Erfahrung und ich gehe mit einem Kloß im Hals wieder raus.

Für heute habe ich genug von Atombomben, zumal ich morgen nach Nagasaki fahre, deswegen mache ich den Rest des Tages nichts anderes, als mit dem Fahrrad kreuz und quer durch die Stadt zu fahren und das großartige Wetter zu geniessen. Ungeplant ist der Sturz, bei dem zum Glück meine Schulter nichts abbekommt, dafür aber mein Kopf eine fette Beule. Danach schalte ich einen Gang zurück. Später gebe ich mein Rad zurück und gehe zum Essen in den gleichen Laden wie gestern. Gestern konnte ich mich zwischen zwei Gerichten nicht entscheiden, deswegen gibts heute das andere: Rindfleisch mit grünem Paprika und Mapo Tofu, das schmeckt noch besser als gestern.