Mein Frühstück besteht aus einem Muffin und einem Tee in der (sehr europäischen) Bäckerei um die Ecke, dann fahre ich mit dem Taxi ins Hotel von Ulrich und Frieder. Dort werden wir irgendwann abgeholt und fahren, nachdem wir noch ca. 10 weitere Teilnehmer abgeholt haben, in Richtung Mauer. Die Fahrt dauert ca. 1,5 Stunden, dann werden wir auf einem Parkplatz rausgelassen und das erste was ich sehe ist ein Subway-Laden. Willkommen im Kapitalismus.
Wir sind in Mutianyou, einem ziemlich beliebten Stück der Mauer, dementsprechend viel ist los. Wir haben nur zwei Stunden Zeit zum Erkunden, deswegen nehmen auch alle die Seilbahn nach oben. Das ist keine geschlossene Kabine, sondern mehr ein Sessellift, wo man im Freien zu zweit nach oben fährt. Auch wenn jede Menge Menschen rumlaufen, ist das alles doch sehr beeindruckend. Wir marschieren von Turm Nr. 5 bis zu Nummer 10, dann müssen wir umkehren.
Für den Weg nach unten nehmen wir nicht die Seilbahn, sondern fahren mit einer Rutschbahn nach unten. Man sitzt in kleinen Wägen mit einem Hebel zum Beschleunigen und Bremsen und das würde richtig Spass machen, wenn nicht vor uns irgendwelche Spassbremsen ständig vor Angst fast stehenbleiben würden.
Danach eröffnet uns die Führerin, dass wir jetzt alle noch eine kostenlose Fussmassage bekommen. Ja, eine Fussmassage. Dazu werden wir in ein Zentrum für chinesische Medizin gekarrt, wo uns eine Dame die Vorzüge von Akupuktur, Fussreflexzonenmassage, Handlesen und allerlei anderem Humbug schmackhaft machen will. Zuerst dürfen wir alle unsere Füsse in einer Schüssel mit heissem Tee baden, dann kommt ein Trupp junger Azubis und massiert uns. Das ist gar nicht so unangenehm wie es sich anhört, allerdings erscheinen währenddessen die Medizinmänner und bieten ihre Dienste an. Frieder, der neben mir sitzt, macht sich einen Spass und lässt sich beraten. Der ‚Arzt‘ erklärt ihm, dass er sämtliche Medizin, die er zuhause nehmen muss, wegschmeissen kann, wenn er nur seine Geheimrezeptur nutzt. Die schlappe 3.600,- Yuan, also etwa 400,-€ kosten soll. Ja genau.
Nachdem sie an uns nichts verdienen, werden wir recht schnell herauskomplimentiert und fahren ca. 2 Stunden lang durch dichten Verkehr zurück. Ich gehe dann noch mit Ulrich und Frieder was essen, die beiden fliegen morgen früh zurück. Wir landen in einem kleinen Restaurant, wo das Essen ziemlich gut ist (zumindest das was ich hatte), kippen ein paar Bier und lassen die Nordkorea-Reise Revue passieren. Irgendwann kommt Frieder mit einer Flasche Schnaps an, die er am Tresen besorgt hat, ohne zu wissen was drin ist. Das Zeug stinkt abartig, wir einigen uns auf Terpentin-Ersatz. Ein Glas pro Mann schaffen wir, der Rest wird verschenkt. Das Lösungsmittel-Aroma verfolgt mich den Rest des Abends, obwohl ich noch drei Bier draufkippe. Als ich mir am nächsten Morgen die Zähne putze, habe ich den Geschmack immer noch im Rachen.
Wir verabschieden uns etwas angeschiggert und ich fahre mit der U-Bahn zu meinem Hostel, besorge mir vorher noch mehr Bier, in der Gewissheit, dass ich morgen zum ersten mal seit Beginn der Reise ohne Wecker ausschlafen kann. Hurra.