Peking 8 – Beijing Boot Boy

Auch heute faulenze ich zum größten Teil nur rum, ich merke, dass ich müde bin und mein Kopf voll ist mit Bildern, Geschmäckern, Gerüchen, etc. Ich fahre zwischendurch nur mal zur 77th Street, das ist eine unterirdische Shopping-Mall, die früher mal ein gigantischer Luftschutzbunker war. Bezeichnend für die Entwicklung in China in den letzten Jahrzehnten hat man das Ding in einen Konsumtempel verwandelt. Innen befindet sich auf mehreren Stockwerken ein Labyrinth aus kleinen und größeren Läden, erinnert mich an das MBK-Center in Bangkok, in dem ich letztes Jahr war. Ich beschränke mich aufs Herumlaufen und habe bald genug und fahre zurück.

Zum Abendessen gehe ich dann zu einem Laden namens Noodle Inn, eine Empfehlung vom Lonely Planet und das ist ein Volltreffer. Das sehr kleine Restaurant gehört Lei Jun, dem Sänger der (linken) Skinhead-Band Misandao. Die Wände sind vollgehängt mit LPs und Postern von The Clash, den Adicts, Sex Pistols, die Casualties waren offensichtlich schon zu Gast und haben sich mit Edding auf der Wand verewigt und eine Lederjacke spendiert, Doc Martens-Werbung, usw. Dazu läuft britische ’77 Punk- und Skin-Mucke. Ich fühle mich sofort zuhause und lerne dann auch den Chef kennen. Wir erkennen uns an unseren T-Shirts als Gleichgesinnte und kommen sofort ins Gespräch, Punkrock ist eine internationale Sprache.

Das Essen ist ausgezeichnet, Lei Jun erzählt mir, dass alle Reiseführer seine Nudelkreationen als Fusion-Küche bezeichnen, er aber einfach zusammenmengt, was ihm schmeckt und auf die Karte setzt. Er vertreibt ausserdem eine feine Kollektion an einheimischen und ausländischen Bieren, die er mir begeistert präsentiert. Wir sitzen ewig zusammen und trinken, irgendwann kommt eine ganzkörpertätowierte junge Frau aus Russland namens Anna dazu, die für ihren Reiseblog einen Bericht über den Laden erstellt und wir philosophieren bis spät in die Nacht über Punkrock. Ich freue mich, auch weil Lei Jun der erste Chinese ist, mit dem ich mich überhaupt ordentlich verständigen kann, er spricht nämlich ein recht gutes Englisch.

Als ich irgendwann abgefüllt bin, verabschiede ich mich und verspreche, morgen wiederzukommen. Ich wanke dann Richtung Hostel und gehe unterwegs in eine der unzähligen öffentlichen Toiletten. Die asiatischen Toiletten bestehen ja meistens nur aus einem Loch im Boden, damit habe ich keine Probleme, diesmal gibt es aber weder Trennwände noch Türen und so sehe ich als ich reinkomme zwei Chinesen am Boden kauern, die gerade am kacken sind. Der eine nickt mir noch zu, der andere schaut sich dabei einen Film auf seinem Smartphone an. Sachen gibts.

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