Sapporo

Ich habe gestern vergessen, die Vorhänge zuzuziehen und so werde ich heute früh von der Sonne geweckt, die mir genau ins Gesicht scheint, sehr angenehm. Ich stelle fest, dass es gerade mal 6:45h ist. Trotzdem bin ich wach, also mache ich mich langsam fertig, frühstücke (wesentlich besser als gestern) und laufe los. Die Innenstadt von Sapporo ist, ähnlich wie Kyoto, schachbrettartig angelegt, wobei der Odori-Park die horizontale und der Sōsei-Gawa, ein Kanal, die vertikale Achse bildet, mit dem Fernsehturm im Brennpunkt. Die Straßen sind interessanterweise nach Nummern, bezogen auf dieses Koordinatensystem benannt, d.h. eine Adresse wäre z.B. Nord 2 West 3. Dadurch ist es auch für Orientierungs-Legastheniker wie mich unmöglich, sich zu verlaufen.

Mein erstes Ziel ist der Botanische Garten der Universität, der ganz nett, aber keine besondere Attraktion ist. Interessant ist ein kleines Museum auf dem Gelände, welches sich mit der Geschichte der Ainu, einem nordjapanischen Urvolk, beschäftigt. Die Ainu wurden von den Japanern in der gleichen Weise behandelt, wie alle Nationen im letzten Jahrhundert mit ihren „Eingeborenen“ umgingen, d.h. sie wurden in jeder Hinsicht ihrer Identität beraubt. Erst 2008 (!) erhielten die Ainu von der japanischen Regierung den offiziellen Status eines indigenen Volkes. Wie üblich gibt es im Museum wieder mal keinerlei Erläuterungen in Englisch, also schaue ich mir halt die Alltags- und Kultgegenstände an und verschwinde dann wieder.

Ein kleiner Zwischenstop am Bahnhof um meine Weiterreise zu reservieren, dann komme ich am berühmten Clock Tower vorbei und verstehe nicht, was daran so toll sein soll, dass sich alle davor fotografieren müssen. Später lerne ich, dass das Gebäude Platz 3 auf der Liste der „most disappointing tourist attractions“ in Japan belegt. Weiter gehts zum Sapporo Biermuseum. Diesmal werde ich nicht enttäuscht wie bei der Yebisu-Brauerei. Ich habe keine Tour gebucht, da die nur auf japanisch abgehalten wird, man kann aber auf eigene Faust durch die Brauerei laufen, wo es (auch englische) Infos zur Geschichte des Unternehmens und zur Entwicklung der verschiedenen Biersorten gibt. Lustig auch die Werbeplakate von 1900 bis heute. Die Brauerei wurde im Jahre 1876 von Seibei Nakagawa gegründet, nachdem er in Deutschland Bier und Bierkultur kennengelernt und dann in einer Berliner Brauerei das Handwerk gelernt hatte. Im Erdgeschoss gibt es natürlich einen Ausschank, ich gönne ich mir eine kleine Auswahl und habe gegen 12h einen sitzen, schliesslich bin ich im Urlaub. Zurück ins Hotel, Siesta. Ich denke mir dass es jetzt auch nicht mehr drauf ankommt und trinke noch zwei Bier, wobei ich jetzt schon weiss, das das keine gute Idee ist.

Ich schlafe ein paar Stunden und bin danach auch wieder nüchtern, aber natürlich bin ich jetzt zu müde und zu verpeilt, um noch irgendwas auf die Reihe zu kriegen. Ich laufe los mit dem Ziel, irgendwo was essen zu gehen und merke, nachdem ich eine gute Stunde in der Gegend rumspaziert bin, dass ich meinen Geldbeutel im Hotel gelassen habe. Ich muss trotz allem lachen und kapituliere, gehe zurück ins Hotel, trinke noch mehr Bier und nehme mir vor, morgen einen alkoholfreien Tag einzulegen.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.