Meine erste Nacht in Nordkorea schlafe ich Jetlag-bedingt wie ein Stein und habe Schwierigkeiten, morgens aus dem Bett zu kommen. Ohne den Weckruf von Kim hätte ich trotz doppeltem Wecker verschlafen. Zum Frühstück freffen wir uns alle in einem der Restaurants, wo es ein typisch asiatisches Buffet gibt. Die Auswahl ist reichlich, das wird sich allerdings in den kommenden Tagen ändern. Heute gibt es gebratenes Gemüse, Tofu, Fisch, daneben Toast, Spiegeleier, Hefebrötchen, Marmelade usw. Ich bin ziemlich durch den Wind, probiere alles, befinde mich aber immer noch im Zombie-Modus.
Nach dem Frühstück treffen wir uns vor dem Hotel, werden in den Bus geladen und wir fahren bei aufgehender Sonne los durch Pjöngjang. Der gestrige Eindruck bestätigt sich: die Stadt ist extrem sauber, überall fegen Leute die Straßen, pflegen Gras und Hecken, etc. Ich sehe nirgendwo Müll rumliegen.
Pjöngjang ist groß, hat 3 Millionen Einwohner, die jedoch fast ausnahmslos in riesigen Plattenbauten leben, so dass es keinerlei Vororte gibt: plötzlich ist die Stadt zu Ende und man ist auf dem Land. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn auf die letzten Hochhäuser folgen sofort bestellte Felder.
Es ist gerade Erntezeit und überall links und rechts der Straße sehen wir Massen von Arbeitern und Soldaten beim Ernteeinsatz. Vornehmlich ist das Reis, aber auch Mais-, Kartoffel- und Baumwollfelder sind zu sehen. Was gestern schon bei der Baustelle am Flughafen aufgefallen ist, wird bei der Landarbeit erst richtig deutlich: Hier ist Handarbeit angesagt. Mit primitivsten Mitteln, sprich mit Sicheln und höchstens ein paar Ochsenkarren wird die Ernte eingebracht. Ich habe sowas noch nie gesehen, das ist Plackerei wie im 19. Jahrhundert. Gedroschen wird von Hand, der Mais liegt überall grossflächig ausgebreitet zum Trocknen in der Sonne. Unter anderem auf einem Stück Autobahn.
Der Zustand der Strassen ist erwartet schlecht, wir kommen in etwa mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50km/h voran. In Pjöngjang selbst ist der Verkehr nicht so mager wie erwartet, es gibt zwar keine Staus, aber immerhin sind die Straßen einigermassen befahren. Ausserhalb der Stadt sieht es etwas anders aus, hier fahren wir immer mal wieder minutenlang ohne irgendwelche Fahrzeuge zu sehen. Wenn wir dann welche sehen, stehen die ziemlich oft mit einer Panne am Straßenrand.
Die Fahrzeuge selbst bieten eine interessante Mischung: Es gibt einerseits neue westliche Luxusmarken, wir sehen diverse fette SUVs und Mercedes, einmal sogar einen Hummer, zum anderen uralte russische Gefährte, viele LKWs sogar mit Holzvergaser. ‘Unglaublich’ ist ein ziemlich oft benutztes Wort.
Irgendwann machen wir an einer Raststätte halt, es gibt eine Toilette ohne Spülung und ein paar Stände, wo Souvenirs, Obst, Zigaretten und Schnaps verkauft wird, wir finden eine Flasche Berenzen Korn unter den Spirituosen.
Nach etwa drei Stunden Fahrt kommen wir an der Genze zur Demilitarisierten Zone an, hier müssen alle Busse anhalten, die Passagiere aussteigen und die leeren Busse werden durchsucht, ob sich nicht etwa ein Flüchtling im Gepäckabteil versteckt hat. Während wir warten, besichtigen wir einen Souvenirshop und einen Raum, wo die Grenzanlagen dokumentiert sind. Überall natürlich die Portraits der beiden Führer an der Wand.
Wir müssen uns dann in einer Reihe aufstellen und als unsere Gruppe an der Reihe ist im Gänsemarsch durch diverse Befestigungsanlagen und Panzersperren marschieren, bis wir zu einem Platz kommen, wo das Gebäude steht, in dem zum Ende des Koreakrieges die Waffenstillstandsverhandlungen stattgefunden haben. In einem Raum steht ein Tisch, auf dem die unterzeichneten Urkunden ausgestellt sind, in zweifacher Ausfertigung, einmal für die Nordkoreaner in Koreanisch und einmal für die UNO in Englisch. Wir werden recht schnell wieder weitergescheucht und fahren dann mit dem Bus durch die DMZ nach Panmunjeom, wo die berühmten Baracken stehen, die Grenze verläuft genau durch die Mitte der Gebäude. Die südkoreanische Seite ist wie ausgestorben, auf der Nordseite stehen Soldaten stramm. Wir dürfen in die mittlere Baracke rein, dort steht genau in der Mitte ein Tisch, durch den die Grenze verläuft. Wir dürfen aber in dem kompletten Gebäude rumlaufen, befinden uns also technisch auch auf kapitalistischem Boden.
Ich werde versuchen, später noch etwas mehr dazu zu schreiben, aber die ganze Anlage vermittelt ein Gefühl, das schwer zu beschreiben ist. Der feierliche Ernst, mit dem die nordkoreanischen Führer und das Personal dort mit allem umgehen hat etwas furchtbar trauriges und ist für uns trotzdem so bizarr lustig, dass ich mir das Lachen oft kaum verkneifen kann.
Mit uns ist eine große Gruppe Chinesen vor Ort, die das alles offensichtlich nicht so ernst nehmen. Unbekümmert lassen sie sich mit den Soldaten fotografieren, die nicht so recht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Eine dralle Chinesin ist von meiner Frisur begeistert. Sie überfällt mich mit einem Schwall Chinesisch, tatscht mich an und will unbedingt ein Foto mit mir, sie fummelt an meinen Haaren rum und drückt sich für das Foto an mich. Danach nimmt sie mir meine Sonnenbrille ab, setzt sie sich auf die Nase und drückt mir ihr Handy in die Hand, damit ich sie damit fotografiere. Ich warte darauf, dass sie mir ihre Zimmernummer zusteckt (alle Ausländer sind im gleichen Hotel untergebracht), das passiert aber nicht.
Wir brechen dann auf und fahren zurück in die Stadt Kaesong zum Essen.